: Die „Retter des Sudans“ üben sich in Machterhaltung
„Friedenskonferenz“ in Khartum ohne Beteiligung der SPLM-Guerilla / Ehemaliger Rebellenführer im Süden wird als Alternative zu SPLM-Chef Garang aufgebaut / Die Kämpfe gehen ungeachtet der Konferenz weiter / Islamisierung schreitet voran / Die Bevölkerung ist hauptsächlich mit dem Überleben beschäftigt ■ Aus Khartum Ch. Wichterich
„Die neuen Machthaber in Khartum glauben offenbar wieder, daß der Frieden aus den Gewehrläufen kommen könne. Wir sind jederzeit zu Gesprächen bereit. Aber wenn wir provoziert werden, werden wir uns natürlich verteidigen“ - O-Ton John Garang, der Chef der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM). „Als wir an die Macht gekommen sind, war unsere erste Wahl: Frieden durch Dialog, nicht durch Gewehre“ - O -Ton General Mohammed el-Amin Khalifa, Mitglied der 15köpfigen Junta in Khartum. Auf den Hinweis, daß sich eine massive Aufrüstung an allen Ecken Khartums beobachten läßt, kontert Khalifa: „Sollen wir die Armee auflösen? Jede Armee der Welt will stark sein, wir auch.“
Auf beiden Seiten der Bürgerkriegsfront läßt man wieder Muskeln spielen und beschwört gleichzeitig den Frieden. Garang hat einen erfolgreichen Werbefeldzug bei Politikern des südlichen Afrikas hinter sich. Die Junta versucht mit ihrer nun zu Ende gegangenen sechswöchigen Friedenskonferenz und der einmonatigen Verlängerung des Waffenstillstands, international Punkte zu sammeln. Daß bei dem Marathonpalaver der wichtigste „Dialogpartner“ fehlte, nämlich die SPLM, störte die Junta nicht, es war sogar kalkuliert. Denn unter den 100 Diskutanten, die sie aus allen Bevölkerungsgruppen nach Khartum geladen hatte, war auch „General“ Joseph Lagu, Führer der ersten Rebellenbewegung im Südsudan von 1955 bis 1972, der „Anya Nya“. Die Junta baut ihn als wahren Repräsentanten des Südens auf, um Garang zu isolieren. Lagu fühlt sich sichtlich gebauchpinselt, wieder zu politischer Bedeutung zu kommen, nachdem Garang ihm den Rang abgelaufen hat. „Er ist ein Neuling, der die Bewegung im Süden gekidnappt hat. Er kann doch nicht allen Ernstes behaupten, er sei patriotischer als ich.“
Lagu schwört auf den Friedenswillen der Junta. Ergebnis der Konferenz, das die Junta der SPLM als Grundlage für Friedensverhandlungen vorlegen will, ist, daß der Sudan ein Bundesstaat a la BRD werden soll. Jedes Bundesland kann sich dann für die Scharia, die islamische Rechtsprechung, oder ein säkulares Recht entscheiden. Was jedoch mit der Hauptstadt Khartum geschieht, in der neben zwei Millionen überwiegend muslimischen Einwohnern fast ebensoviele andersgläubige Flüchtlinge aus dem Süden leben, ist nur eine von vielen Unklarheiten. Der Föderalismusplan ist jedenfalls weit entfernt von der Forderung der SPLM nach einer demokratischen Machtverteilung und einem säkularen Staat im Sudan.
So nimmt es kaum jemanden wunder, daß die Kämpfe ungeachtet der „Friedenskonferenz“ weitergehen. Anfang der Woche erließ der Militärgouverneur der Provinz Zentralsudan im Südosten des Landes einen generellen Mobilmachungsbefehl. Zuvor war die Stadt Kurmuk nach zweiwöchigen Gefechten von Garangs Verbänden eingenommen worden. Nicht nur am Beispiel des Südens, des Versuchs, Lagu als Alternative zu Garang aufzubauen, zeigt sich, daß die Junta das Geschäft der Machtabsicherung schnell gelernt hat. Anfänglich ließ sich nicht verbergen, daß sich am 30. Juni politische Dilettanten an die Macht geputscht hatten. Staatschef Beschir führte große populistische Parolen im Munde und regierte, wie er vorher eine Brigade befehligt hatte: mit Tagesordern, soldatisch, heute dies, morgen das. Inzwischen sind oppositionelle Politiker, liberale Juristen und Gewerkschaften ausgeschaltet, eine Säuberungswelle an der Universität wird nach Ende des laufenden Studienjahrs erwartet, der Sicherheitsdienst wird ausgebaut, Wände und Straßenecken in Khartum bekommen Ohren.
Gleichzeitig schreitet die Islamisierung voran. Während des Freitagsgebets dürfen keine Geschäfte mehr geöffnet sein. Debattiert wird, ob in Zukunft Männlein und Weiblein noch gemeinsam in die Swimmingpools der Hotels steigen dürfen und daß Frauen ihre Finger besser von Politik und Steuerrad lassen. Unterstützung findet die Junta nur von seiten der Fundamentalisten.
Zwar wächst der Unmut in der Bevölkerung gegen die selbsternannten Retter der Nation. Doch sie ist voll damit beschäftigt, das Überleben des nächsten Tages zu organisieren. Taxifahrer Abdul strahlt, als er nach stundenlangem Schlangestehen drei Päckchen Waschpulver ergattert hat. Die nimmt er am Geburtstag des Propheten Mohammed statt Süßigkeiten mit nach Hause, denn Zucker ist in der ganzen Stadt nicht zu kaufen. Morgens kochen deshalb die Teekesselchen nicht mehr an Khartums Straßenecken - Tee ohne Zucker trinkt niemand. Doch Militärs sieht man mit Fünf -Kilo-Säckchen Zucker nach Hause gehen. Kein Wunder, daß die Werbung für die Armee Wirkung zeigt; vor den Rekrutierungsbüros herrscht Andrang - besonders von jungen Männern aus dem Süden, die keine andere Überlebensmöglichkeit für sich und ihre Familien sehen.
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