„Die Partei“-Chefin über ernsten Protest: „Turbo-Politik vom Feinsten“
Satire mit ernsten Mitteln: Die Partei hat in Göttingen Mahnwachen angemeldet, um etwa an Hitlers Geburtstag Plätze zu blockieren.
taz: Frau Haas, müssen Ihre WählerInnen jetzt befürchten, dass Die Partei zu einer ernsthaften Partei verkommt?
Heide Haas: Natürlich waren wir schon immer eine ernsthafte Partei. Ich weiß gar nicht, wie die Ernsthaftigkeit in Zweifel gezogen werden könnte. Wir hatten auch in Kooperation mit den Piraten einen gemeinsamen Bundespräsidentschaftskandidaten. Ich glaube, wir sind sehr ernst zu nehmen.
Entschuldigung. Dann zu den ernsten Themen. Sind Mahnwachen, wie Sie sie jetzt in Göttingen veranstalten, nicht was für Schnarchnasen?
Nein, die Mahnwache ist ein höchst effizientes Instrument für Turbopolitik vom Feinsten, so wie wir sie betreiben. Das Besondere ist, dass sie nicht genehmigungspflichtig sind. Das gibt uns, als ordentlicher politischer Partei, einen Spielraum, genau das zu machen, was wir machen wollen.
29, ist die zweite Vorsitzende der Partei Die Partei im Landesvorstand Niedersachsen und leitet den Bereich Agitprop im Kreisverband Göttingen. Außerdem promoviert und arbeitet sie an der Georg-August-Uni Göttingen.
Und das wäre?
Mit unserer aktuellen Reihe „Göttingen neu besetzen“ wollen wir Göttingen wieder positiv besetzen. Das hat damit zu tun, dass der positive Charakter politischer Veranstaltungen meistens für die WählerInnen nicht ersichtlich ist. Das wollen wir ändern.
Geht es auch darum, Orte zu blockieren, damit Rechte sie nicht nutzen können?
Wir haben uns diese Plätze frühzeitig gesichert, weil wir gesehen haben, dass an gewissen Tagen der Göttinger Bahnhofsplatz, aber auch der Albaniplatz, also der Platz der Bücherverbrennung, bei den Rechten sehr begehrt sind.
Macht so etwas nicht schon die grüne Jugend?
Wir haben uns diese Plätze eindeutig als erste Partei reserviert. Aber wir kooperieren gerne mit vielen – auch mal mit der grünen Jugend!
Seit wann fühlt sich die Partei Die Partei für Antifa-Themen zuständig?
Die Partei Die Partei fühlt sich generell für das gesamte Spektrum der Politik zuständig. Wir sind die extreme Mitte und das bleiben wir auch. Wenn wir mit allem fertig sind, wird es links und rechts von Die Partei nichts mehr geben.
Jan Böhmermann macht jetzt auch auf seriös auf Twitter. Müssen wir uns Sorgen um den Zustand der Satire machen?
Auf keinen Fall. Die Satire ist in einem besseren Zustand denn je. Je kruder die politischen Konstellationen sind, desto besser geht es der Satire. Ich glaube auch, dass Satire ihre gesellschaftlichen Aufgaben heute besser erkennt und wahrnimmt.
Welche Aktionen stehen jetzt bei Ihnen an?
Unter anderem haben wir dieses Jahr eine Bundestagswahl geplant, die wir bestreiten werden. Natürlich mit unglaublich guten Ergebnissen, wie zuvor noch nie gesehen.
Wieso so optimistisch?
Wir hatten im letzten Jahr einen stärkeren Zulauf als die AfDings. Die hatten 4.000 neue Mitglieder, wir hatten 4.251. Dazu viele Neugründungen von Verbänden, auch im Raum Niedersachsen.
Welche Aktionen sind noch im Rahmen der Reihe „Göttingen neu besetzen“ geplant?
Als weitere Termine haben wir für dieses Jahr noch den 20. April, den 1. Mai, den 17. August und den 9. November angemeldet. Für den 20. April haben wir schon Anfragen glücklicher Eltern, die den Geburtstag ihrer Kinder mit uns feiern wollen. Da haben wir natürlich nichts gegen, denn wir glauben auch, dass Kinder unsere Zukunft sind.
Erwarten Sie Konfrontationen mit Nazis?
So viele derart verwirrte Leute gibt es hier nun auch wieder nicht. Man muss nicht von den zwei, drei Leuten, die hier rumrennen, erwarten, dass die mit einer Art Flashmob unsere Veranstaltung besetzen.
Wie viele TeilnehmerInnen erwarten Sie?
Wir haben beim Ordnungsamt für alle Veranstaltungen eine Teilnehmerzahl von 18 bis 88 angegeben. Am 20. April gehen wir aber davon aus, dass noch mehr Leute auch aus anderen Bundesländern kommen. Den 89. werden wir nicht wegschicken, das wäre zu hart. Aber es dürfen dann nur 88 Leute auf das Gruppenfoto.
Wie kann man sich eine Mahnwache der Partei Die Partei vorstellen?
Wir sind laut und haben sehr viele Redebeiträge, da sind wir sehr geübt, weil wir regelmäßig Redenschwingerabende inszenieren. Das sieht so aus, dass ein Parteimitglied oder ein befreundetes anderes Wesen eine Rede hält, die dann von den Anwesenden bewertet wird, zum Beispiel nach Inhaltsleere. Aber sie muss natürlich auch mobilisieren können.
Sie kündigen gute Laune und positive Agitation an. Was gibt es denn überhaupt zu feiern und woher diese gute Laune?
Gerade in schwierigen Zeiten darf man das Feiern nicht verlernen, gerade auch in der Politik. Wir sehen uns hier als modernen Dienstleister für die Wähler. Wir reagieren nicht nur, sondern stürmen nach vorn und machen Sachen die kein anderer macht.
Gibt es Schnaps?
Wie Sie wissen, sind wir dank der Bundestagsverwaltung auf Bundesebene gerade in einer heiklen und unsicheren finanziellen Lage. Dadurch können wir unseren Wählerinnen und Wählern oder Mahnwachenbesuchern und Mahnwachenbesucherinnen keine großen Freibierbestände sichern. Wir befinden uns aber mit Brauereien in Verhandlung für Spenden.
Was ist da genau los mit der Bundesverwaltung?
Die Partei Die Partei hat als Reaktion auf den Goldverkauf einer überaus obskuren Splitterpartei, die sich schon wie der Machthaber im Lande aufführt,
… AfD …
… selber einen Geldverkauf gestartet, um dadurch die Parteienfinanzierung auszureizen. Die Regelung, die dem zugrunde lag, wurde inzwischen gekippt. Jetzt soll die Partei Die Partei sogar Strafzahlungen leisten.
Und die AfD wird nicht bestraft?
Genau. Die obskure Partei scheint damit davonzukommen. Allerdings gehen wir bereits juristisch dagegen vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“