BONN APART: Die PDS sitzt links
■ Das gesamtdeutsche Parlament rückt zusammen
Ab der kommenden Woche rücken die einig Deutschen im Bonner Wasserwerk zusammen: Damit das gesamtdeutsche Parlament mit seinen dann 663 Abgeordneten (144 mehr: CDU 63, SPD 33, Liberale 9, DSU 8, Grüne/Bündnis 90 7, PDS 24) Platz findet, werden neue Sessel installiert. Etliche Zentimeter schmaler als die alten und ohne Lehne. Was den verhärmten Gestalten der Nachkriegszeit üppig erschienen wäre, läßt bei einigen beleibten Wohlstandsverwaltern Platzangst aufkommen. Keine Sorgen brauchen sich freilich Landwirtschaftsminister Kiechle und der Bundeskanzler Kohl machen. Die Schwergewichtler, so teilte der fürsorgliche parlamentarische Geschäftsführer der Union, Bohl, mit, erhielten eine „individuelle Behandlung“.
Doch trotz des Stühlerückens wird das Wasserwerk, bereits vorher enges Provisorium bis zur Fertigstellung des neuen Plenarsaals, im Parkett nur 553 Plätze aufnehmen können. Die restlichen Abgeordneten müssen notfalls auf freien Plätzen der Bundesratsbank oder der Tribüne Platz nehmen — „ohne Ansehen der Parteizugehörigkeit“, versichert die Bundestagsverwaltung, die den „guten Willen zu Gleichbehandlung“ betont. Die PDS wird nicht, wie es zuerst gerüchtehalber hieß, auf die Tribüne verbannt, sondern darf am linken Rand der SPD sitzen, wo bis zum Verbot 1953 die KPD saß: die PDS nun allerdings in den hinteren Reihen, außerhalb der Sichtweite von Kameras und Besuchern unter der Tribüne. Auch auf Plätze mit Telefon müssen die PDSler verzichten; die gibt es nur in der ersten Reihe. Es sei ein „völlig falscher Frageansatz“, so Dr. Renken von der Bundestagsverwaltung, nun zu vermuten, die PDS werde bewußt in die Ecke abgedrängt, sondern es sei Ergebnis der Mangelverwaltung.
Vorsatz ist auch nicht nötig; dafür sorgt bereits die Parlamentsordnung. Und die legt fest, daß die 24 PDSler keinen Fraktionsstatus beanspruchen können. Damit fehlen ihnen Gelder für die Fraktionsbüros, stehen ihnen keine Vollmitgliedschaften in den Ausschüssen zu, sind Antragsrechte eingeschränkt und die Dauer ihrer Redezeit vom guten Willen der anderen Parteien abhängig.
Weil die Zahl der Ausschußsitze für die kurze Zeit bis zur gesamtdeutschen Neuwahl nicht vergrößert werden soll, haben die Parteien bereits Probleme, ihre eigenen Parteifreunde aus der DDR unterzubringen. Um so geringer wird die Bereitschaft sein, der PDS zu Plätzen zu verhelfen.
Welch miserable Stellung der höchste Souverän der Republik hat, wenn er in Unterzahl auftritt, könnte der PDS der fraktionslose Abgeordnete Wüppesahl erzählen. Hartnäckig hat er es freilich geschafft, sich gegenüber einer Geschäftsordnung, die das „Parlament zur Beute der Parteien“ (Wüppesahl) macht, Gehör zu verschaffen. Seinen Wunsch, zur PDS zu gehen, hat der Ex-Polizist bereits kundgetan — entschieden hat die PDS darüber noch nicht. Gerd Nowakowski
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