■ Die Neue Rechte scheint seit 1989 auf dem absteigenden Ast zu sein. Aber ihre Erfolge sind nicht in Wählerstimmen zu messen, sie prägt das politische Klima stärker denn je: Kein Grund zur Beruhigung
Die gute Nachricht zuerst: Der radikalen Rechten in der Bundesrepublik wird es wohl auch auf mittlere Sicht nicht gelingen, sich erfolgreich zu organisieren – und schon gar nicht, wie Haider oder Le Pen die Parlamente zu erobern.
Jenseits der Stiefelfaschisten stehen die Rechtsextremisten – also Deutsche Volksunion, NPD und „Republikaner“ – mittlerweile gänzlich im Abseits. Während die NPD zunehmend den Weg Richtung Neonazismus beschreitet, mühen sich die „Republikaner“ auch in der Post-Schönhuber-Ära vergeblich um ein demokratisch- attraktives Profil. Und die Sammlungsversuche neueren Datums? Zum Beispiel der Bund Freier Bürger (BFB), den der entäuschte Ex-FDPler Manfred Brunner gründete? Oder die Nationalliberalen in der FDP? Das Bündnis Konstruktiver Kräfte Deutschlands? Auch der BFB ist keine neue, nationalere FDP geworden. Die Nationalliberalen hatten da schon das bessere Gespür. Zwar ist die Stahlhelm-Fraktion von ihrem Traum einer nationalen, rechten FDP so weit entfernt wie zu Beginn. Aber Ihr hessischer Organisator Heiner Kappel und der ehemalige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl haben innerparteilich die Stellung gehalten.
Die radikale Rechte hat nach 1989 eher erfolglos versucht, sich zu formieren. Die hochtrabenden Hoffnungen, eine neue nationalkonservative Partei nach dem Ende der Systemkonkurrenz zu etablieren, haben sich nicht erfüllt. Soweit die guten Nachrichten.
Die schlechte Nachricht: Jenseits von Wahlerfolgen und Parteigründungen hat die radikale Rechte in den vergangenen acht Jahren mehr erreicht als in den 20 Jahren vor dem Fall der Mauer. Denn das politische Klima hat sich in den 90ern verändert.
Der Versuch, die liberale, aufgeklärte Gesellschaft der Bundesrepublik als historische Phase zu beenden, ist auch in der rechten Mitte dikussionswürdiger geworden. Der kritisch-aufgeklärte Blick ist zurückgedrängt worden, die neuen Feindbilder heißen „68er Generation“ und „keynesianischer Wohlfahrtsstaat“. Dies ist der gemeinsame Nenner von etablierten Christkonservativen und Reaktionären jenseits der Union. Die ersteren, weil sie den Staat neoliberal umgebaut sehen wollen. Die zweiten, weil sie auf die Restauration des Nationalen hoffen – eine RechtsSchreibreform in Politik und Medien. Das eigentlich Neue ist die Interaktion zwischen offizieller Politik und Debatten des rechten Randes. Während in Bonn Helmut Kohl weitgehend unbeirrt seine Bahnen zieht, haben eine Ebene darunter vor allem Politiker der Union partiell Themen und Thesen aufgenommen, die das Spektrum rund um die Junge Freiheit diskutiert.
Zum Beispiel die Wehrmachtsausstellung. Erst die Schützenhilfe von PolitikerInnen wie der Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach oder dem CSU-Mann Peter Gauweiler machten die von vielen Rechtsradikalen initiierte Kampagne gegen die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ hoffähig (und legitmieren damit letztlich gewollt oder ungewollt die größte Neonazidemonstration der Nachkriegsgeschichte). Die Weigerung von Teilen der Frankfurter CDU wie der Münchner CSU, die Ausstellung auch nur zu tolerieren, symbolisiert spürbar den nationalkonservativen Terraingewinn. Der kritische Blick auf Soldatentum und deutsche Kriegsverbrechen wird attackiert – und das findet breiten Widerhall in konservativen Medien wie Focus, Welt am Sonntag und FAZ. Plötzlich sind es die Ausstellungsmacher, die in der Kritik stehen. Dieser Kurs wird zwar keinesfalls von der Mehrheit der politischen Elite getragen. Das eigentlich Bemerkenswerte aber ist der erfolgreiche Tabubruch, der Mal für Mal normaler wird.
Zum Beispiel die Goldhagen- Auseinandersetzung: Der Debatte um „Hitlers willige Vollstrecker“, die die Erfolge nationalkonservativer Ideologen vorübergehend bremste, mischten CDU- Rechtsaußen wie Peter Gauweiler eine besondere Geschmacksnote bei. Gauweiler nannte Daniel Goldhagen einen „Volksrichter“, der „mühsam umgekehrten Rassismus“ gegen die Deutschen betreibe, die „in ihrer überwältigenden Mehrzahl“ auch während des Nationalsozialismus nicht zu Verbrechern geworden seien.
Wie ist diese veränderte politische Landschaft zu fassen? „Die Neue Rechte – ein Phantom?“ fragte die taz und eröffnete damit eine Debatte um die Relevanz dieser nach wie vor ungenau definierten Strömung. Der Begriff Neue Rechte bezeichnete eigentlich einen rechtsextremen Aufbruch Anfang der 70er Jahre, der von Splittergruppen getragen wurde, sich an der Nouvelle Droite aus Frankreich anlehnte und explizit als rechtes Gegenstück zur Neuen Linken gedacht war. Seitdem verschwimmt der Begriff zusehens: mal wurde er für das Erstarken der „Republikaner“ in den 80er Jahren gebraucht, mal für nationalrevolutionäre Strategien. Heute wird das Schlagwort der Neuen Rechten hauptsächlich zur Charakterisierung des Spektrums bezeichnet, das sich hinter Aufrufen wie dem zum 8. Mai 1995 oder Manifesten wie der „Selbstbewußten Nation“ versammelt. „Sie ist keine Partei, kein Verband, kein Verein, sondern eher ein lockeres, informelles Netzwerk rechter Intellektueller, die sich auch schon mal jungkonservativ nennen“, versuchte Wolfgang Gessenharter zu definieren.
Das Problematische an der sogenannten Neuen Rechten von heute ist, daß ihr in Ansätzen die Verflechtung mit der herrschenden Politik gelungen ist. Damit kristallisieren sich erste Konturen einer Rechten heraus, die sich politisch jenseits der Union, aber diesseits der alten Rechtsextremen wie den „Republikanern“ verortet. Das Schlagwort der Neuen Rechten ist dafür reichlich ungenau – wir haben vorgeschlagen, sie Neue Konservative zu nennen. Daß dies insofern problematisch-verharmlosend ist, weil sich neben konservativen Elementen auch eine gute Portion rechtsextremer Inhalte findet, sei an dieser Stelle noch einmal unterstrichen.
Daß diese Neuen Konservativen in vielen Punkten wenig erfolgreich agieren, ist das eine. Daß sich ihre Inhalte punktuell dennoch durchsetzen, das andere. In der alten Bundesrepublik endete der gesellschaftliche Konsens kurz hinter der Union. Mitte der 90er Jahre ist er aufgekündigt. Barbara Junge, Julia Naumann, Holger Stark
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