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Die Nato in Polen„Wir haben lange auf euch gewartet“

3.500 US-Soldaten sollen künftig die Ostflanke Polens sichern. Sie werden willkommen geheißen. Denn sie gelten als langersehnter Schutz vor Russland.

Ankunft von US-Soldaten am 12. Januar 2017 auf dem Flughafen von Goleniow Foto: dpa

Berlin taz | In der Gemeinde Ślesin, etwa 230 Kilometer westlich der polnischen Hauptstadt Warschau, steht stadtauswärts ein kleiner Triumphbogen. Im Jahr 1811 wurde dieser zu Ehren der napoleonischen Truppen errichtet. Die Einwohner des heute gerade mal 3000 Einwohner zählenden Städtchens glaubten, die französischen Truppen würden auf diesem Weg Russland angreifen. Tatsächlich wählten sie eine andere Route. Trotzdem ist man in Ślesin bis heute stolz auf das steinerne Bauwerk.

Mehr als 200 Jahre sollte es dauern, bis Polen ausländische Armeeverbände in ihrem Land wieder willkommen heißen würden: Am vergangenen Wochenende trafen die ersten US-amerikanischen Soldaten ein, 3500 werden es insgesamt, und sie haben schweres Gerät dabei. Zum Beispiel 87 Kampfpanzer und Haubitzen. Im Rahmen der Operation „Atlantic Resolve“ sollen sie die Ostflanke der Nato sichern – gegen eine mögliche russische Aggression.

Einen Triumphbogen haben die Polen ihnen zwar nicht gebaut, dafür aber gab es Begrüßungsfeste von Gdingen bis Krakau. US-Fahnen wurden geschwenkt und Selfies mit den GIs geschossen.

Im westpolnischen Żagań, wo sich mehrere Truppenübungsplätze befinden, trat am Samstag Premierministerin Beata Szydło vor die Brigade aus Übersee. „Das Land heißt die Repräsentanten der großartigsten Armee der Welt willkommen“, sagte sie. Und ihr Verteidigungsminister Antoni Macierewicz fügte hinzu: „Wir haben lange auf euch gewartet, jahrzehntelang.“

Nato-Beitritt im Jahr 1999

1993 zog die Rote Armee aus Polen ab, seitdem war eine Integration des Landes in westliche Kooperationsstrukturen das oberste Ziel der Außenpolitik. 1999 trat Polen der Nato bei. Jenes Ereignis ist für viele so wichtig wie die EU-Mitgliedschaft.

„Russland ist für uns eine reale Gefahr“, sagt Bartosz Wieliński, Chef des Auslandsressorts der Gazeta Wyborcza, Polens größter Tageszeitung. „Mit bloßen Zusicherungen haben wir in unserer Geschichte schlechte Erfahrungen gemacht, 1939 teilten Deutschland und die Sowjetunion uns einfach auf – und die Alliierten sahen zu“, so Wieliński. Deswegen sei es notwendig, US-Truppen im Land zu haben.

Das war bisher trotz Polens Nato-Mitgliedschaft nicht der Fall. Lange diskutierten die Partner des Verteidigungsbündnisses über eine permanente Stationierung westlicher Verbände in Osteuropa. Aus Rücksicht auf russische Sicherheitsbedürfnisse und eine entsprechende Reaktion wurde davon abgesehen – bis zur Annexion der Krim durch Russland im März 2014 und zur Eskalation des Konflikts in der Ostukraine.

Seitdem werden die Ängste der Polen wie auch der Balten vor einer Auseinandersetzung mit Russland in Brüssel und Washington ernst genommen. Und was sagt man in Berlin dazu? „Das dürfte in Russland als konkrete Kriegsvorbereitung wahrgenommen werden“, so die Linken-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht. Auch Dietmar Woidke äußerte sich kritisch: „Das hilft uns nicht weiter“, sagte der brandenburgische Ministerpräsident.

Bundeswehrsoldaten in Litauen

„Was ein SPD-Mann sagt, ist das eine“, so Marek Świerczyński, Analyst und Sicherheitsexperte beim Warschauer Beratungsunternehmen „Polityka Insight“. Die meisten Entscheidungsträger in Deutschland sähen die Sache anders. Das zeigt, dass 500 Soldaten der Bundeswehr schon am 19. Januar nach Litauen geschickt werden. Sie sind Teil der „Enhanced Forward Presence“ (EFP) – einer Mission, an der sich im Baltikum noch weitere Nato-Länder beteiligen, etwa Großbritannien oder Kanada.

Die US-Truppenverlegung ist eine der größten der Armee seit dem Ende des alten Ost-Westkonflikts. Beschlossen wurde sie auf dem Nato-Gipfel im vergangenen Juli in Warschau, was Vertreter der regierenden PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) gerne betonen. Zwar können sie das als Erfolg für sich verbuchen, aber alle anderen Parteien im Sejm, dem polnischen Unterhaus, stimmen der Präsenz von US-Truppen im Land zu.

„In Sachen Sicherheitspolitik herrscht ein weitgehender Konsens über alle politischen Lager hinweg“, sagt Berater Świerczyński. Selbst in der polnischen Gesellschaft seien es nur einige „Ultrapazifisten“, die protestieren würden.

Die US-Truppen rotieren nach neun Monaten, sie werden dann also durch neue Einheiten ersetzt. Ob es bei diesem Prinzip bleibt, wenn in Washington erst einmal Donald Trump Präsident ist, weiß derzeit allerdings keiner.

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33 Kommentare

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  • Prinzipiell verstehe ich das die Polen sich freuen. Die Erfahrungen mit den Russen sind noch frisch. Gut fände ich es wenn sich Polen und Balten und Russland aber freundschaftlich annähern könnten. Frankreich und Deutschland hat das ja mal gut hin bekommen. Auch wenn das Beispiel natürlich nicht vergleichbar ist.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Justin Teim:

      Mit der Okkupation der Krim hat sich Rußland in Bezug auf das Verhältnis zu Polen und den Balten sowie der NATO-Präsenz in denselbigen Ländern selbst einen Bärendienst erwiesen. Schon allein vor diesem Hintergrund ist eine Annäherung in nächster Zeit unmöglich.

  • Ich träume ja immer noch davon, dass es irgendwann auch Russland nicht mehr der "Bösewicht" ist, auch nicht in Polen.

     

    Wenn es eine Aussöhnung zwischen Polen und dem post-nationalsozialistischen Deutschland geben konnte, warum kann es dann nicht irgendwann auch eine Aussöhnung zwischen Polen und dem post-kommunistischen Russland geben?

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Rojas:

      Eine Aussöhnung von Polen mit Rußland wird es mit Sicherheit dann geben, wenn dieses Rußland eine echte Demokratie ist und keine post-kommunistische Großmachtsdiktatur mehr.

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Als die deutsch-polnische Aussoehnung anfing, war Polen auch keine Demokratie. Bekanntschaften und gar Freundschaften wurden trotzdem gebaut.

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Eine echte Demokratie wie Polen?

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          In Sachen Demokratie kann uns Polen keiner was erzählen, schließlich waren wir die ersten in Europa!

          • @4845 (Profil gelöscht):

            Das stimmt nicht. Die Griechen waren die ersten mit einer "zivilisierten" Demokratie. Vorher gab es da natürlich noch die Demokratie in der Frühzeit der Menschheit...

             

            Aber das ist für die aktuelle Situation auch egal.

            • 4G
              4845 (Profil gelöscht)
              @warum_denkt_keiner_nach?:

              Falsch formuliert: Wir waren die ersten mit einer modernen Demokratie mit einer modernen Verfassung: 3. Mai 1791

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          Selbstverständlich ist Polen ein Demokratie. Bei aller gerechtfertigten Kritik am Fehlverhalten der aktuellen polnischen Regierung und den aktuellen Gefahren für den Rechtsstaat, keine der bisherigen Maßnahmen hat die Demokratie als solche Außerkraft gesetz. Ganz im Gegensatz zu diktatorischen Rußland.

          • @4845 (Profil gelöscht):

            Auf die aktuellen Versuche der polnischen Regierung, die Demokratie zu schwächen, habe ich angespielt. Mehr nicht.

            • 4G
              4845 (Profil gelöscht)
              @warum_denkt_keiner_nach?:

              Das ändert nichts an der Tatsche, dass Polen nachwievor eine funktionierende Demokratie ist, ganz im Gegensatz zur russichen Großmachtsdiktatur.

              • @4845 (Profil gelöscht):

                Wie sich der russische Staat entwickeln wird, können wir Beide nicht sinnvoll beeinflussen. Aber wir können uns Mühe geben, dort wo wir leben, die Demokratie zu verteidigen. Dabei nützt es wenig, ständig nach Russland zu schauen.

                • 4G
                  4845 (Profil gelöscht)
                  @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Keine Sorge, ich tue das meine um in Polen und in Deutschland für eine offene Gesellscharft zu sorgen. Aber ich lediglich erwähnt, dass für eine polnisch-russische Aussöhnung sich erst etwas in Rußland ändern muss. Wenn schon nicht Demokratie, dann doch schon wenigstens in Sachen Außenpolitik, siehe die Okkupaton der Krim.

  • Hilfe! Putin hat Russland annektiert!!

    (...und dann noch Donald Trump als US-Präsidenten eingesetzt) Nur Polen brauch er jetzt noch...

  • Für einen guten Deal würde die USA -so fürchte ich- Polen glatt mal wieder teilen lassen...

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Vidocq:

      Wieso wieder? Die USA haben Polen noch nie geteilt, das ist eine Spezialität der Deutschen, Russen und Österreicher...

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Da müssen Sie aber aufpassen. Viele Amerikaner haben deutsche, russische und österreichische Vorfahren... :-)

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Da müssen Sie aber aufpassen. Viele Amerikaner haben deutsche, russische und österreichische Vorfahren... :-)"

           

          ...und Sie sollten auch Aufpassen. Denn viele US-Amerikaner haben auch polnische Vorfahren, über 10 Millionen.

           

          Und nun?

          • @4845 (Profil gelöscht):

            Humor haben Sie wirklich keinen.

            • 4G
              4845 (Profil gelöscht)
              @warum_denkt_keiner_nach?:

              Natürlich habe ich Humor. Aber hier geht es um Politik und nicht um Humor.

              • @4845 (Profil gelöscht):

                Aber Sie müssen doch gemerkt haben, dass meine Bemerkung nicht so ganz ernst gemeint war...

                • 4G
                  4845 (Profil gelöscht)
                  @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Natürlich habe ich das gemerkt. Aber hier geht es um Politik und entsprechend musste ich mit ernsten Beiträgen einer Verblödelung der Diskussion entgegen wirken.

                  • @4845 (Profil gelöscht):

                    Im Artikel, geht es aber doch um eine politische Blödelei, die für Obama so typisch ist. Eine "Maßnahme", die keinerlei Nutzen bringt, aber Unruhe im politischen Leben verbreitet.

                     

                    Geht man von einer ernsthaften Bedrohung Polens durch Russland aus, so sind 3.500 Mann keinerlei Hilfe. Die zehnfache Zahl würde benötigt. Gibt es diese Bedrohung nicht, was schon ein Blick auf die Landkarte nahe legt, so sind die 3.500 überflüssig.

                     

                    Fazit. Es handelt sich um eine Lachnummer. Und so behandle ich den Vorgang auch. Trotzdem freue ich mich immer wieder auf eine nette Unterhaltung mit Ihnen.

                    • 4G
                      4845 (Profil gelöscht)
                      @warum_denkt_keiner_nach?:

                      "Geht man von einer ernsthaften Bedrohung Polens durch Russland aus, so sind 3.500 Mann keinerlei Hilfe. Die zehnfache Zahl würde benötigt. Gibt es diese Bedrohung nicht, was schon ein Blick auf die Landkarte nahe legt, so sind die 3.500 überflüssig."

                       

                      Natürlich gibt es die Bedrohung, mit Okkupation der Krim hat Putin gezeigt, dass er bereit ist mit riskanten militärischen Mitteln seine Ziele umzusetzen. Für Unruhe in der Region hat damit Rußland selber gesorgt.

                       

                      Dass eine US-Brigade zusätzlich zu den balitschen und polnischen Truppen eine russische Invasion nicht aufhalten kann ist jedem Militärstrategen klar, hüben wie drüben. Es geht darum, Rußland zu signalisieren, dass bei einem Angriff sofort US-Truppen involviert währen und somit kein Zweifel am Verteidigungsfall mehr bestünden (übrigens sind die Truppen im Westen Polens und nicht im Osten stationiert. Ein weiteres Entgegenkommen gegenüber Rußland).

                       

                      Ob das nun Sinnvoll ist steht nun auf einem anderen Blatt. Aber wenn Sie schon selber zugeben, dass eine Panzer-Brigade aus defensiver Sicht unbedeutend ist, dann ist sie es erst recht aus offensiver Sicht. Somit ist es viel mehr eine Lachnummer wenn sich Rußland durch eine solche Maßnahme provoziert fühlt. Oder führt Putin doch etwas im Schilde???

    • @Vidocq:

      Pssst! Das ist doch noch geheim... :-)

  • " Im Jahr 1811 wurde dieser zu Ehren der napoleonischen Truppen errichtet. Die Einwohner des heute gerade mal 3000 Einwohner zählenden Städtchens glaubten, die französischen Truppen würden auf diesem Weg Russland angreifen. "

     

    Bei allem Jubel. Man weiß in Polen hoffentlich, wie das ausgegangen ist?

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Bei allen Unkenrufe, sie kennen hoffentlich die Vorgeschichte?

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Natürlich. Polnische Geschichte ist viel zu interessant, um sie links liegen zu lassen.

         

        Aber zurück zu Napoleon. Insgesamt war das Großherzogtum Warschau zwar für viele Polen ein kleiner Lichtblick aber von N. keineswegs als unabhängiger polnischer Staat gedacht. Nicht umsonst hat er den sächsischen König als "Statthalter" eingesetzt. Der hatte ohne N. nicht viel zu sagen, so dass der "Pufferstaat Richtung Russland" völlig von Frankreich abhängig blieb. Die Rechnung für das Ganzen musste dann, wie so oft, das polnische Volk zahlen...

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          Schön dass Sie in Geschichte aufgepasst haben. Sie haben ja damit aus dem historischen Kontext selbst erklärt warum 1811 ein solcher Triumpbogen entstand und warum ihr obiger Kommentar völlig deplaziert und unnötig war: die geopolitische und geostrategische Situation von 1811 ist eine grundlegend andere als 2017.

          • @4845 (Profil gelöscht):

            Sind Sie aber empfindlich. Ich bezog mich auf den Artikel. Und da heißt es:

             

            "...die französischen Truppen würden auf diesem Weg Russland angreifen. "

             

            Und ich habe an das Ergebnis des Angriffs erinnert. Unter anderem, weil es ja für Polen nicht gerade erfreulich war.

             

            Gerade weil sich die Situation heute etwas von der im Jahre 1811 unterscheidet, fand ich es merkwürdig, dass der Bogen im Artikel überhaupt erwähnt wurde.

            • 4G
              4845 (Profil gelöscht)
              @warum_denkt_keiner_nach?:

              "Gerade weil sich die Situation heute etwas von der im Jahre 1811 unterscheidet, fand ich es merkwürdig, dass der Bogen im Artikel überhaupt erwähnt wurde."

               

              Das stimmt allerdings, da muss ich Sie tatsächlich in Schutz nehmen. Die Erwähnung des Triumpbogens durch den Autor tut nichts zur eigentlichen Sache. Im Grunde war es die taz die einen Beitrag wie den Ihren provozieren musste... ein Schelm wer Böses dabei denkt...

  • Entfernt. Bitte beteiligen Sie sich nur, wenn Sie einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion leisten möchten. Danke, die Redaktion