: Die Nacht zum 9. Mai 1945
■ In Karlshorst unterzeichnete die Wehrmachtsführung die Kapitulation Nazi-Deutschlands
Karlshorst. Wenige hundert Meter vom S-Bahnhof Karlshorst entfernt, steht ein zweistöckiges Haus, geschützt von jungen Rotarmisten. In die Wand des Hauses ist eine Marmortafel eingelassen. Zu lesen ist auf russisch und deutsch: »In diesem Gebäude wurde am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation des faschistischen Deutschland unterzeichnet«. Für die Unbelehrbaren ist es ein Ort der Schmach, für die Nachdenklichen ein Ort der Befreiung.
Im Scheinwerferlicht stand dieses Gebäude — vor dem Krieg eine Ingenieurschule, während des Krieges das Kasino der Festungspionierschule und bis 1946 die Residenz des Oberkommandierenden der sowjetischen Streitkräfte Marshall Shukow — nur eine einzige Stunde. In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai. Um Punkt 24 Uhr betraten Marshall Shukow und die Vertreter des Alliierten Oberkommandos den Saal, in dem die Kapitulationsurkunde unterzeichnet werden sollte. Nach einer Ansprache, die nur aus einem einzigen Satz bestand, forderte Marshall Shukow die Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht in den Saal. Als erster betrat Generalfeldmarschall Keitel den Raum, ihm folgten Generaloberst Stumpff und Admiral Friedeburg. In seinen Memoiren Erinnerungen und Gedanken, beschreibt Shukow die Szene.
»Die deutschen Vertreter wurden aufgefordert, an dem für sie bestimmten Tisch Platz zu nehmen, der unweit der Tür stand... Das war nicht mehr der überhebliche Keitel, der die Kapitulation des besiegten Frankreichs entgegengenommen hatte. Jetzt sah er geschlagen aus, obwohl er sich Mühe gab, Haltung zu bewahren... Mit einem feindseligen Blick auf das Präsidum erhob sich Keitel von seinem Platz, dann senkte er die Augen, nahm langsam seinen Marschallstab vom Tisch und kam mit unsicheren Schritten auf unseren Tisch zu. Sein Monokel fiel herunter und baumelte an der Schnur, sein Gesicht bedeckte sich mit roten Flecken.« Mit ihm traten Stumpff und Friedeburg an den Tisch. Keitel rückte sein Monokel zurecht, setzte sich an den Rand des Tisches und unterschrieb alle fünf Exemplare der Urkunde. Nach Keitel setzten Stumpff und Friedeburg ihre Unterschriften darunter. Nach der Unterzeichnung stand Keitel auf, streifte den rechten Handschuh über und suchte wieder einen strammen Militär zu markieren. Das mißlang ihm jedoch, und still ging er an seinen für ihn bestimmten Platz zurück. Am 9. Mai um 0.43 Uhr war die Urkunde über die bedingungslose Kapitulation von allen unterzeichnet.« aku
Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945. Fritz-Schmenkel-Straße, geöffnet dienstags bis freitags 9-13 Uhr, und 15-18 Uhr. Samstags 9-16 Uhr und sonntags 9-14 Uhr, Eintritt frei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen