■ Die Mobilitätsgewohnheiten im Alter haben sich stark verändert. Statt Bussen und Bahnen nutzen Ältere bevorzugt das eigene Auto zur Fortbewegung. Nicht-Autobesitzer fühlen sich dagegen eingeschränkt: SeniorInnen sind gerne Auto-mobil
Mobilität im Alter – da denkt man zuerst an die mobilen RentnerInnen, die zwischen Deutschland und Amerika, zwischen Afrika und Asien hin- und herjetten. Zum Teil stimmt diese Vorstellung natürlich: Viele Ältere verbringen ihren Urlaub am Bodensee und im Erzgebirge, auf Mallorca und in Kanada. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem so mancher das nicht mehr kann – oder auch gar nicht mehr will. Und was heißt dann „mobil im Alter“?
Zum Beispiel Gerti G. (77). Sie ist zwar gehbehindert, aber dennoch mobil. „Dadurch, daß ich immer noch besser Auto fahren kann als laufen“, freut sie sich. Seit vierzig Jahren fährt sie Auto, nutzt es zum Einkaufen und um Freunde zu besuchen, die auswärts wohnen. Geschäfte für den täglichen Bedarf wären von ihrer Wohnung aus zwar auch zu Fuß erreichbar, „nur ist es dann wieder mit dem Tragen schlecht. Und deshalb nehme ich halt das Auto“. Da sie seit dem Tod ihres Mannes allein lebt, ist diese Fortbewegungsmöglichkeit ganz wichtig für sie. „Einfach, um nicht zu vereinsamen.“
An ihrem Beispiel läßt sich erkennen, was für eine Bedeutung ein Auto für viele Ältere hat. Für manche ist Autofahren eher ein Hobby. Für die meisten Älteren jedoch gehört das Auto zum Haushalt wie andere Gebrauchsgegenstände auch. Es macht unabhängig von Wetter und ungünstigen Busverbindungen, vermittelt Sicherheit und ist ein wichtiges Transportmittel vor allem in Wohngegenden außerhalb der Stadtzentren, in denen es kaum mehr Geschäfte wie auch zu wenig öffentliche Verkehrsmittel gibt.
Die Vorteile des eigenen Autos sind eindeutig. Da bringen die regelmäßigen Appelle wenig, doch lieber die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Über 70 Prozent der Alten, die ein Auto zur Verfügung haben, sind nicht einmal bereit, darauf zu verzichten, wenn sie statt dessen ein Freiticket für Busse und Bahnen nutzen könnten. Die Bindung ans Auto ist bei dieser Gruppe noch größer als bei anderen. Kein Wunder, daß ältere AutofahrerInnen mit ihren Möglichkeiten, überall dort hinzugelangen, wo sie hinmöchten, erheblich zufriedener sind als Ältere, die nicht selbst Auto fahren.
Schließlich verspricht das Auto Sicherheit in einer subjektiv zunehmend feindlich empfundenen Umwelt. Die Untersuchungen zur Zufriedenheit mit der eigenen Mobilität zeigen eines deutlich: Besonders für alte Menschen, die kein Auto haben und deren Handlungsradius sich aus gesundheitlichen Gründen mehr und mehr einengt, ist von zentraler Bedeutung, ob es in ihrem Wohnumfeld Geschäfte, medizinische Dienste und angepaßte öffentliche Verkehrsmittel gibt.
Die 55- bis 74jährigen Autofahrer sind mit ihren Mobilitätsmöglichkeiten besonders glücklich. Im Vergleich dazu ist die Zufriedenheit von Personen, die kein Auto im Haushalt haben, deutlich geringer. Dies ist nicht nur aus ökologischen Gründen alarmierend, sondern birgt zudem die Gefahr einer sozialen Spaltung im Alter.
Nicht nur Autofahrer, sondern auch Radfahrer werden oft als rücksichtslos wahrgenommen und verunsichern die Älteren. Angenehm empfinden es Ältere dagegen, wenn Fußwege breit und bequem sind, nur wenig Verkehr herrscht oder eine verkehrsberuhigte Zone genutzt werden kann. Oder wenn das Ziel gleich in der Nähe liegt. Das ist jedoch angesichts der Tendenz, Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen entweder in die Stadtzentren oder irgendwo „auf die grüne Wiese“ zu verlagern, immer seltener der Fall. Schon jetzt vermissen 30 Prozent der älteren Männer und Frauen, die in städtischen Randgebieten und Vororten wohnen, mindestens eine Dienstleistungseinrichtung.
Eine bedarfsorientierte und „altersgerechte“ Ausgestaltung von Wohnquartieren im Rahmen einer koordinierten Stadt- und Verkehrsplanung ist notwendig. Hier wäre es sinnvoll, flexible, sozial unterstützte Fahr- und Begleitdienste einzurichten, die jedoch allen zugänglich sein sollten. Heidrun Mollenkopf
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