american pie: Die Minnesota Twins sichern sich Playoff-Teilnahme
Totgesagte leben länger
Die Feierlichkeiten ähnelten denen in anderen Umkleidekabinen. Sekt wurde herumgespritzt, Bier über Köpfe gegossen, dazu dicke Zigarren geraucht. Aber als die Minnesota Twins am vergangenen Montag das frühzeitige Erreichen der Playoffs feierten, mischte sich in die ausgelassene Freude schnell auch ein leicht grimmiger Trotz. Schließlich standen die Twins vor noch nicht einmal einem halben Jahr vor dem Aus: Major League Baseball (MLB) wollte sich gesundschrumpfen und dazu zwei Teams einstampfen.
Auch wenn MLB-Chef Bud Selig offiziell keine Namen nannte, galt doch neben den notorisch nahe an der Pleite operierenden Montreal Expos die Franchise aus dem hohen Norden als aussichtsreichster Streichkandidat. Nur eine Gerichtsentscheidung schob die Entscheidung auf und beließ die Twins vorerst in Minneapolis. Erst wenige Tage vor Beginn der Saison war sichergestellt, dass die Twins den Spielbetrieb tatsächlich aufnehmen konnten. Schnell kursierten auf den Rängen des Metrodomes T-Shirts mit dem Aufdruck: „Osama Bud Selig“.
Die junge, billige Mannschaft aber zeigte sich von den Querelen unbeeindruckt und spielte sich überraschend schnell eine beruhigende Führung in der Central Division der American League heraus. Den Titel und damit die erstmalige Playoff-Teilnahme seit 1991 sicherte man sich nun bereits zwei Wochen vor dem Ende der regulären Saison. „Bud Selig konnte uns nicht loswerden“, schrie Leftfielder Jacque Jones durch die feiernde Umkleidekabine, „wir sind immer noch hier, und wir bleiben.“
Das allerdings ist lange noch nicht sicher. Die Twins haben trotz des sportlichen Erfolgs weiterhin finanzielle Probleme. Dieses Jahr geben nur drei Klubs weniger für Spielergehälter aus als die Twins. Wie alle Teams, die in eher kleinen TV-Märkten beheimatet sind, haben sie auf Dauer keine Chance, mit den reichen Klubs wie den New York Yankees oder den Boston Red Sox zu konkurrieren. Außerdem gilt ihr Stadion, der Metrodome, eine 20 Jahre alte, überdachte Multifunktions-Arena ohne einträgliche VIP-Logen, in Zeiten schicker neuer Retro-Ballparks als nicht mehr profitabel. Und eine Bürgerbefragung, ob – wie zuletzt in vielen US-Städten geschehen – die öffentliche Hand eine neue Spielstätte für die Twins finanzieren soll, scheiterte bereits vor Jahren. Nun gibt es zwar neue Verhandlungen mit der Landesregierung um einen möglichen Stadionneubau, aber bislang ist nur sicher, dass die Twins zumindest in der kommenden Saison weiter in ihem alten Metrodome spielen werden. Derweil wollen Gerüchte nicht verstummen, denen zufolge Selig und Carl Pohlad, der Besitzer der Twins, hinter den Kulissen an einem Umzug der Franchise in eine völlig andere Region arbeiten, in der nicht nur ein neues Stadion, sondern auch lukrativere Fernsehverträge winken.
Dafür interessiert sich in Minneapolis aber momentan kaum jemand. Lieber träumt man. Und erinnert sich: Vor elf Jahren gewann Minnesota die World Series – und das war eine noch größere Überraschung als der momentane Erfolg der aktuellen Inkarnation der Twins. Ob die allerdings so weit kommen wird wie ihre Vorgänger, ist fraglich: In der ersten Playoff-Runde trifft man entweder auf Anaheim oder Oakland. Beide Teams haben derzeit einen unheimlichen Lauf, während sich Minnesota in einer schwachen Division durchsetzte, in der jede andere Mannschaft mehr Spiele verlor als gewann. Aber egal: Die Menschen in Minnesota lieben ihre Twins wieder, gründen Bürgerinitiativen für ein neues Stadion und sammeln Spenden. Denn: Die Twins waren tot. Nun leben sie wieder. THOMAS WINKLER
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