Die Meisterfeier im Netz: Kabinen-Selfie statt Profisause
Der FC Bayern sorgt für eine Selfie-Schwemme auf Twitter. Ansonsten bleibt alles diszipliniert. Spannung finden Fans im Web-Archiv oder am Tabellenende.
BERLIN taz | Die bayerische Meisterfeier bei den „Saupreußen“ in Berlin hat auch abseits des Rasens rekordverdächtige Züge angenommen: Sie führt zu einer wahren Schwemme von Kabinen-Selfies. Zu sehen sind in wechselnder Kombination fröhlich grölende Oben-Ohne-Millionäre mal mit, mal ohne Kaltgetränk.
Für den Rest der Liga hat Spiegel Online den resignierten Leidspruch der Saison verfasst: Leider brillant. Aber leider eben auch ziemlich langweilig. Denn so schön sie auch spielen, beim Feiern bleiben die „Superbayern“ hökschtprofeßjionell (Joachim Löw).
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Im Olympiastadion entzog sich Pep Guardiola der traditionellen Weißbierdusche, um lieber mit seiner Frau zu telefonieren („Das war ein privater Moment.“). Und Jerome Boateng, offizieller „Mitkoordinator“ der Feierlichkeiten in seiner Berliner Heimat, philosophierte angesichts der ausstehenden Aufgaben kurz nach Abpfiff: „Wir können es uns nur selber gefährlich machen, indem wir nachlassen.“ Entsprechend pflichtbewusst verließen viele Spieler nüchtern und vollkommen bekleidet bereits gegen 3 Uhr nachts die Partylocation in Berlin Mitte.
Apropos nüchtern: Das KittyCheng in der Torstraße (merke: die passende Adresswahl von Party-Koordinator Boateng), kurzerhand zum Berliner P1 umgemodelt, sah mit seinen rot-weißen Luftballons und dem Zelt-Vorbau auch eher aus wie ein Kreisliga-Imbiss. Passend dazu die vergebens ausharrenden Minirock-Groupies.
„Diszipliniert, sogar beim Jubeln“ stellt sueddeutsche.de deshalb traurig fest. Das dürfte ganz im Sinne von Disziplin-Fanatiker Sammer sein. Aber Profis, die professionell feiern, sind für prickelnde Netz-Skandale einfach unbrauchbar.
Der ein oder andere erinnert sich da sehnsüchtig an ausgelassenere Meisterfeiern. Unvergessen die entfesselten 4-Minuten-Meister der Herzen Schalke 04. Auf deren Mini-Feier folgte die kollektive Mega-Depression von ganz Gelsenkirchen. Oder Werder Bremens Kugelblitz Ailton. Der ließ als frischgebackener Meister 2004 noch seinen „kleinen Toni“ im Kabinenpool tanzen. Das gab zwar Ärger. Aber dafür schuf der Brasilianer ein einzigartiges Zeitdokument. Nicht auszudenken, wenn er damals schon ein Smartphone besessen hätte.
Was bleibt den Bayern-Profis auch übrig? Ist schon blöd, so eine Meisterschaft im März. Denn: Die Saison geht einfach weiter. Am Samstag gegen..gäähn..irgendwen halt.. Danach wartet Manchester United. Auf der Insel nimmt man den frühen Titelgewinn der Münchner anerkennend wahr. Viel mehr aber auch nicht. Freudiger dürfte es in China zugehen. Dort ist der FC Bayern nämlich Social Media-Meister des Jahres. Und Selfies von Chinesinnen im Bayerntrikot fluten jetzt… ach, lassen wir das.
Abgesehen von Bayern und Chinesen dürften die meisten Bundesliga-Fans ohnehin das Tabellenende interessanter finden. Also dort, wo die Spieler frei nach Christoph Daum „das Ticket zum Krankenhaus schon in der Tasche“ haben, wenn sie den Rasen betreten.
Hannover 96, aber auch Frankfurt und Bremen, vermeiden gerade mit eindrucksvollen Niederlagenserien die Langeweile des Tabellenmittelfelds. Bei Platz 11 fängt das Tabellenende deshalb schon an. Und weil Schlusslicht Braunschweig auch wieder siegt, steht vielen Teams in dieser englischen Woche nicht das Weißbier sondern alkoholfreies „Wasser bis zum Hals“ (Freiburg-Trainer Streich).
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Während die Münchner noch in ihrem zweistrahligen Regionaljet vom Typ Bombardier CRJ sitzen, könnten die Zuschauer des Spiels Hamburg gegen Freiburg am Mittwochabend Zeugen eines Saurier-Sterbens werden. Der HSV ist vielleicht bald der letzte Bundesliga-Dino, der Zweitliga-Erfahrung sammeln darf. Die Fans beten mit einem //twitter.com/search?q=%23TrikotTag&src=hash:Trikot-Tag auf Twitter dagegen an. Auf die Bilder von der Trauerfeier darf man schon gespannt sein.
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