Die Marke Michael Jackson: Das global bekannte Produkt

Obwohl er längst keine Hits mehr produzierte, blieb Jackson irrsinnig populär: Für sein Comeback verkauften sich 900.000 Karten binnen Stunden. Ein Lehrstück der Popkultur.

Ikone für Generationen: Der "King of Pop". Bild: ap

Als Michael Jackson im März für eine vierminütige Pressekonferenz im Londoner Entertainment-Monster O2 Arena vor die Mikrofone trat, dachte man für einen Augenblick, er sei es gar nicht. Vielleicht, weil man sich im Grunde seit zehn Jahren fragt, ob Jackson, den Liz Taylor erstmals den „King of Pop“ taufte, überhaupt noch leibhaftig existierte – oder längst in der eigenen, unter Masken, Brillen und Tüchern verhüllten Unwirklichkeit aufgegangen war.

Eine ganze Generation hatte mit Jacksons grandiosen Alben „Thriller“ und „Bad“ ihre Jugend gemeistert, zu „I Just Can't Stop Loving You“ den Liebeskummerschmerz potenziert, mit „Bad“ den pubertären Mini-Aufstand gegen die Eltern geprobt. "King of Pop", das war vielleicht einer der künstlichsten und absurdesten Begriffe der achtziger Jahre, doch es war und ist bis heute auch einer der wirkungsvollsten. Denn wird es nach Jackson noch einen King of Pop geben?

Jackson war der Elvis der MTV-Generation, seine Auftritte von Moskau bis München glichen hemmungslosem Versinken in Hysterie, einem globalen Wimmern und Kreischen an der Ohnmachtsgrenze, die zum regelrechten Stereotyp gewordene „Michael!“-Rufe. Dass Millionen Fans ihm, trotz aller Skandale und Merkwürdigkeiten, bis heute die Treue hielten, zeigt vor allem, zu was das Genre Pop fähig ist. Das Schmachten in Sorglosigkeit. Michael Jackson war und ist ein Lehrstück dieser Popkultur.

Dabei war das King- und Queen-of-Pop-Trio Madonna-Prince-Michael Jackson in den vergangenen Jahren brüchig geworden. Madonna hatte sich in der britischen Countryside mit mäßigen Kollaborationen allmählich selbst „entpostarisiert“. Und Princes’ Musik war im verwirrten, nur noch für eine kleine Zielgruppe nachvollziehbaren Jazzspektakel aufgegangen.

Nur Jacko wurde heller und blieb auf eine eigenartige Art unantastbar. Dabei produzierte auch er längst keine Hits mehr, und sein Megacomeback klang zunehmend wie ein schlechter Running Gag. Als in London schließlich unglaubliche 50 Konzerte angekündigt wurden, waren binnen Stunden 900.000 Karten verkauft.

Gut 30 der 50 Konzerte sind inzwischen ausverkauft gewesen, am 13. Juli sollten sie beginnen. Fast wirkte es, als wollten Millionen Menschen, von denen viele vielleicht nicht einmal Jackson-Fans waren, einem echten King of Pop beim Sterben zusehen.

Denn sofort wurde gerätselt, ob der zarte Fünfzigjährige diese enorme Anstrengung überhaupt überleben würde. Sein Slogan der Tour "King of Pop. Michael Jackson. This is it." hatten bereits bei der Pressekonferenz im März einen eigenartigen, finalen Beigeschmack.

Der Slogan leuchtete in grellen rot-weißen Farben und diese mehr als offensichtliche Nähe zu Coca Cola hatte fast einen selbstironischen Ton – Jackson schien nun voll und ganz im Merchandising-Nirwana aufgegangen zu sein. Zugleich öffnete es aber auch eine seit langem bestehende Gemeinsamkeit.

Denn sowohl Coca Cola als auch Michael Jackson waren schon vor zwanzig Jahren wohl das einzige und global bekannteste westliche Produkt, das auf jedem Fleck der Erde jeder kannte. Jeder. Seine Bühnenpräsenz, der Look aus Fliegerbrille, strähnigem Haar und hautenger Glamouruniform mutierte zu einem der meistkopierten Outfits der Welt.

Man war Punk, Grufti oder Michael Jackson und übte verzweifelt stundenlang vor dem Spiegel: Den Griff in den Schritt, den fließenden Moonwalk, den niemand außer ihm beherrschte, und der sogar Fred Astaire bei Jacksons Auftritt zum Jubiläum von Motown 1983 sprachlos werden ließ. Auch Madonna trug auf der Bühne ikonische Kostüme. Michael Jackson aber explodierte darin und wurde zu etwas Größerem. Thank you for the music.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.