Die Macht der Entschuldigung: Feministische Kommunikation
Frauen entschuldigen sich ständig für alles Mögliche, weil sie gelernt haben, dass das höflich sei. Dabei sollten sie viel öfter nein sagen.
I n Oxford trifft Peri, eine junge Studentin aus Istanbul, mit ihrem Professor eine Abmachung: Weil sie sich ständig entschuldige, dürfe sie sich von nun an nie wieder bei ihm entschuldigen. Diese Geschichte erzählt Elif Shafak in ihrem Roman „Der Geruch des Paradieses“ und es ist einer der Klassiker, wenn es um feministische Kommunikation geht: Frauen entschuldigen sich ständig für alles Mögliche, weil wir irgendwie gelernt haben, dass das höflich sei, von uns erwartet werde, unsere Gesellschaft für andere weniger unangenehm und uns weniger anstrengend mache. Und natürlich ziehen wir das auch in der Uni durch – und bei der Arbeit.
In „Wie du erfolgreich wirst, ohne die Gefühle von Männern zu verletzten“, einem nicht ganz ernst gemeinten Buch von Sarah Cooper, findet sich eine Checkliste von Entschuldigungen, um die man täglich bitten sollte: Weil man als Frau eine Frage stellt, zu viel über sich erzählt oder einfach mal Ahnung von seinem Job hat.
Da ist natürlich die logische Folge: Sich das Entschuldigen abtrainieren. Googelt man „Women apologize workplace“, findet man Listen wie „25 Things Women Should Stop Apologizing For“ und viele ähnliche Texte, die einem dabei helfen wollen. So wie der Professor in Shafaks Roman.
Verantwortung übernehmen
Deren Geschichte geht dann aber so weiter, dass Peri nicht zu einer Anhörung erscheint, den Professor dort nicht entlastet und dieser auch deshalb seinen Professorenposten verliert. Weil Peri aber ja nicht mehr bei ihm um Entschuldigung bitten soll, tut sie das nicht – und der Kontakt bricht über viele Jahre ab. Und so zeigt die Geschichte von Peri, wie wichtig es eben doch sein kann, sich zu entschuldigen. Weil es Beziehungen rettet, weil man damit Verantwortung übernimmt und sogar Macht demonstriert – wie Angela Merkel vor fast zwei Wochen im Bundestag.
Nicht wir sollten uns verändern, sondern die Welt. Nicht wir sollten entlernen, sondern es sollte ganz normal werden, dass wir „Entschuldigung“ immer wieder hören, von Kolleg:innen und Chef:innen. Nicht als Floskel, sondern mit Einsicht. Wir sollten Listen schreiben mit Titeln wie 25 Dinge, für die sich Männer öfter entschuldigen sollten (zu viel mansplaint, Kaffeetasse nicht in die Spülmaschine geräumt, den Mitarbeitern zu viel und den Mitarbeiterinnen zu wenig gezahlt, zu beleidigt auf angemessene Kritik reagiert). Vielleicht wächst aus der Entschuldigung ja irgendwann auch Einsicht und ein anderes Verhalten.
Was ich aber wirklich nie wieder schreiben möchte: Sorry für die späte Rückmeldung, wenn eine E-Mail drei Tage alt ist. Aber auch hier liegt das Problem nicht im Entschuldigen an sich – sondern in der dämlichen Idee, ständig präsent und erreichbar sein zu müssen. Statt zu üben, uns nicht mehr zu entschuldigen, sollten wir besser einen anderen Klassiker feministischer Kommunikation trainieren: Nein sagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste