: Die Lyrikerin
(und ihr Mann, der Lyriker)
Die Lyrikerin. Sie lebt in sich. Ganz in sich. Mit allem, was sie hat, ist sie in – sich – drin. Deswegen ist in der Lyrikerin auch immer ganz schön was los. Sie ist ihr eigener, in sich selbst fließender Kreislauf. Und überall, wo sie in sich an sich selbst vorbeikommt, hat sie eine Wahrnehmung, die nur sie hat – sich selbst.
Das klingt kompliziert. Ist es auch. Für Außenstehende, und das sind natürlich alle, die nicht in der Lyrikerin zuhause sind, ist das System nicht zu entschlüsseln. Nicht weiter tragisch, denken Sie? An sich haben Sie recht. Wenn das System ausschließlich in sich kreiseln, fließen oder rumpeln würde, könnte man es ganz sich selbst überlassen und hätte seine Ruhe. Das Problem aber ist, dass die Lyrikerin unter einer saisonalen Zwangsundichtigkeit leidet und, regelmäßig im Herbst, pünktlich zur Frankfurter Buchmesse, leckt.
Die Wissenschaft bekommt diesen Systemfehler einfach nicht in den Griff. Als Ursache wird allgemein ein Wahrnehmungsüberschuss vermutet. Sozusagen ein Zuviel an sich selbst. Immanenter Druck, der nur durch Ablassen von Überkapazitäten reguliert werden kann. Analysen der ausfließenden Substanz gestalten sich höchst schwierig, weil sie sich zwar aus den Zeichen des auch uns bekannten Alphabetes zusammensetzt, aber völlig ungeordnet heraussprudelt. Und so rührt die Fachwelt in lyrischen Textlachen wie Kinder in der Buchstabensuppe und ist fasziniert.
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