■ Repressionen gegen die ETA wären die falsche Antwort: Die Logik der Gewalt
„A por ellos“ (Auf sie) lautete in vielen baskischen Städten der Schlachtruf, mit dem sich eine entfesselte Menge auf die Lokale und Bars jener Partei stürzte, die als legale Sprecherin der ETA auftritt. Damit ist die im regionalen und nationalen Parlament vertretene Herri Batasuna, deren Name soviel bedeutet wie „vereinigtes Volk“, selbst Opfer von Gewalt geworden, die aus dem baskischen Volk kommt.
Dies ist die negative Seite der gegenwärtigen Bürgerbewegung in Spanien. Diese Reaktion ist einerseits die Folge von jahrelang aus Angst zurückgehaltener Wut gegen eine bewaffnete Organisation, die eine ganze Region zur Geisel gemacht hat. Andererseits ist sie das Ergebnis einer Politik, die sowohl auf seiten der ETA als auch auf seiten der spanischen Regierung nur die die militärische Sprache kennt.
Die überwältigende Mehrheit der Bürgerbewegung, die in den vergangenen Tagen in Spanien mehrere Millionen Menschen auf die Straße gebracht hat, will das exakte Gegenteil. Sie verlangt politische Lösungen als Ausweg aus dem baskischen Dilemma. Vor allem im kleinen Baskenland selbst, wo jeder jemanden kennt, der einmal bewaffnet für die Sache der Basken gekämpft hat oder es immer noch tut, sind die Demonstrationen ein historisches Novum. Am Grab des ermordeten Miguel Ángel Blanco Garrido haben nicht nur Polizisten demonstrativ ihre Maske abgezogen – Tausende von Basken haben gezeigt, daß sie den Mut haben, trotz der stets präsenten latenten Gewaltdrohung für eine friedliche Lösung einzutreten.
Darin liegt zugleich eine Chance und ein Risiko. Die Regierung darf sich jetzt zwar zu Recht aufgefordert fühlen, die Attentatswelle zu beenden. Aber sie darf das nicht so, wie es Innenminister Jaime Mayor Oreja andeutet. Ein Gesetz, das „terroristische Drohungen“ unter Strafe stellt, kann zu Zensur führen, wie das britische Beispiel gezeigt hat. Ein Gesetz, das Schnellverfahren für bestimte Verbrechen einführt, untergräbt den Rechtsstaat.
Gewalt, das hat der baskische Konflikt in den vergangenen 30 Jahren zur Genüge gezeigt, führt zur immerwährenden Wiederholung des Gleichen. Statt mit Repressionen zu reagieren, muß die spanische Regierung jetzt verstärkt nach politischen Auswegen im Baskenland suchen. Dafür gibt es viele potentielle Partner. Nicht zuletzt jene baskischen Nationalisten, die – auch in den Reihen von Herri Batasuna – in den letzten Tagen öffentlich den Mord an Miguel Ángel Blanco Garrido verurteilt haben. Auch das ein Novum. Dorothea Hahn
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