piwik no script img

Die Lobbyistin der WocheDieDüpiererin

EU-Vizekommissionspräsidentin ist nicht irgendein Amt. Deshalb ist es bemerkenswert, dass die Person, die den Posten zwischen 2010 und 2014 innehatte, eines der Leib-und-Magen-Themen der Riesenbehörde geißelt. Viviane Reding (Foto), insgesamt 15 Jahre lang EU-Kultur-, Medien-und Justizkommissarin, forderte jetzt die Regierung ihres Herkunftslandes Luxemburg auf, sich für den Stopp der TTIP-Verhandlungen einzusetzen. Diese seien in einer „Sackgasse“ angekommen, das EU-Freihandelsabkommen mit den USA sei „eine Rechnung, die nicht aufgeht“.

Harsche Kritik an TTIP gab es in dieser Woche auch aus Berlin, Paris, Wien – aber aus den eigenen Reihen? Die Kommission dürfte – mal wieder – düpiert über den Reding-Klartext gewesen sein. Die 65-jährige Konservative ist heute „nur“ noch Abgeordnete im Europaparlament. Aber nicht von der Samthandschuhfraktion. „Banker sind Bankster“, sagte sie zu den Verfehlungen der Branche, attackierte US-Ratingagenturen und das Ungarn Viktor Orbáns. Sie begrüßte die deutsche Frauenquote in Aufsichtsräten und beschimpfte Frankreich, weil dort Roma aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit abgeschoben würden.

Nach dem Ausscheiden aus der Kommission stand sie wegen vieler neuer Nebenjobs in der Kritik. Für Reisende sollte das Wirken der promovierten Journalistin aus Esch an der Alzette aber einen guten Klang haben. Als Reding 2005 die Preise für Auslandstelefonate erstmals kritisierte, unterschätzte man in der Telekombranche noch den „schrillen Vogel mit der Chanel-Handtasche“ (FAZ). Heutzutage gehören die gesunkenen Roaming-Kosten neben offenen Grenzen zu den wenigen Errungenschaften, die viele Europäer der Europäischen Union noch zusprechen möchten. Kai Schöneberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen