piwik no script img

Die Linke bei der BundestagswahlProtest wählt nicht mehr links

Ein deutlicher Dämpfer für die Linken: Sie bleiben unter den angestrebten zehn Prozent und werden wohl nur fünftstärkste Kraft.

Katja Kipping sieht froh aus, aber das Ergebnis der AfD liegt der Linkspartei schwer im Magen Foto: dpa

Berlin taz | Drei Ziele hatte Wahlkampfleiter Matthias Höhn für die Linkspartei ­ausgegeben: Deutlich über 10 Prozent der Stimmen wollte man kommen. Zweitens wollte man wieder die vier Berliner Direktmandate holen. Und drittens sollte die Linkspartei so stark werden, dass man einen grundlegenden Politikwechsel erzwingen kann. Wenn man so will, hat die Linkspartei mindestens zwei von drei Zielen verfehlt. Den ersten Hochrechnungen zufolge erreichte die Linkspartei knapp 9 Prozent der Stimmen und wäre damit nur fünftstärkste Partei im Bundestag.

Der Traum von einem Politikwechsel, sprich eine Regierung mit SPD und Grünen, war schon vor dem Sonntag ausgeträumt. Die Prognose bestätigte es: Rot-Rot-Grün hat keine Mehrheit mehr im Bundestag. Und ob die vier Direktmandate tatsächlich im Kasten waren, wusste man kurz nach Schließung der Wahllokale auch noch nicht. Dennoch war die Stimmung bei der Linkspartei gut, die im Festsaal Kreuzberg feierte, der derzeit in Treptow-Köpenick liegt, einer Hochburg der Linken. Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht wurde mit Jubel und Applaus empfangen, als sie auf die Bühne stieg. „Dieses Ergebnis ist das zweitbeste, das wir je hatten“, rief Wagenknecht.

Tatsächlich liegt die Linkspartei ganz knapp über ihrem schlechten Wahlergebnis von 2013, als sie auf 8,6 Prozent rutschte. Die Erzählung der Linkspartei lautet also: ein gutes Ergebnis in einem schwierigen Umfeld. Im Vergleich zu Union und SPD konnten sich die Linken zu Beginn des Abends sogar zu den Wahlgewinnern zählen, doch selbst Wagenknecht sparte sich die Schadenfreude über das dürftige Abschneiden der SPD, um sich dem neuen Hauptfeind der Linkspartei zuzuwenden: „Uns allen liegt natürlich das Ergebnis der AfD im Magen.“

Das sei ein wahnsinniger Rechtsruck, der in den nächsten vier Jahren so nicht weitergehen dürfe, sagte Wagenknecht und kündigte die neue Rolle der Linkspartei an: „Wir sind sozialer Oppositionsführer.“ So kann man sich den letzten Platz auch schönreden. Dietmar Bartsch, neben Wagenknecht der zweite Spitzenkandidat, machte auch seine Partei indirekt mit für den Erfolg der AfD verantwortlich: „Die Menschen haben ein Ventil gesucht, das sie bei uns nicht mehr gefunden haben.“

Die Linke als Protestpartei – dieser Nimbus hat sich endgültig abgenutzt. Das zeigte bereits die Landtagswahlen in Mecklenburg Vorpommern und Sachsen-Anhalt, wo die AfD jeweils vor der Linkspartei lag. Und das gesellschaftliche Umfeld wird für die Linke schwieriger. Zum ersten Mal seit 1990 hat das rot-rot-grüne Lager keine Mehrheit mehr, analysierte Katja Kipping. „Es braucht einen gesellschaftlichen Schub gegen die neue Rechte“, rief die Parteivorsitzenden. Den zu organisieren wird auch bei der Linkspartei liegen. Womöglich im Verbund mit der SPD, die ebenfalls ankündigte, in die Opposition zu gehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • "Protest wählt nicht mehr links"

     

    Richtig - weil der Protest nicht mehr hauptsächlich von Wut über sozialökonomische Ausgrenzung, sondern von Ausländerfeindlichkeit getrieben wird. Nicht mehr Ressentiments gegen "die da oben", sondern gegen "die da unten" stehen im Mittelpunkt. Sowas kann eine linke Partei nicht nutzen, ohne sich selbst zu verleugnen.

  • "Ein deutlicher Dämpfer für die Linken" (9,2% +0,6%)

     

    vs

     

    "Puh, nochmal gut gegangen" (8,9% +0,5%)

    • @agerwiese:

      Das habe ich mir auch gedacht. Aber bedenke, wir lesen hier in der Hofzeitung der Grünen. Ob es demnächst genauso kritische Artikel über diese geben wird? Denn mit ihren 8,9% haben sie sich ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert....

       

      Wenn die Grünen ihre Wahlkampfforderungen ernst meinen, dann wird es kaum zu einer Regierungsbildung kommen, denn mindestens drei wesentliche Themen lassen sich wohl kaum mit CDU/CSU und FDP vereinbaren:

       

      - Humanitäre Politik / Keine Flüchtlingsobergrenze

      - Bürgerversicherung / allg. Krankenversicherung in die alle einzahlen sollen

      - Mietpreisbremse verbessern + Mieterschutz verbessern

  • "Protest wählt nicht mehr links"

    Ein ziemlich merkwürdiges Statement. Wie werden bei der Wählerwanderung denn bitte "Protestwähler" bestimmt? Waren die 1Mio cDU und 1/2 Mio sPD Wähler die zur sogenannten afD abgewandert sind auch nur Protestwähler? Es haben ja sogar mehr Wähler von "anderen Parteien" oder den "Nichtwählern" die blau gefärbten Neonazis gewählt als ehem. Linkenwähler.

    Hier soll doch klar wieder die Linkspartei diskreditiert werden, mit ihrem angeblich nicht oder unzureichend überwundenen Erbeaus den Zeiten des kalten Krieges. Dabei hätten Vertreter anderer Partei diesbezüglich mindestens genau so viel aufzuarbeiten gehabt - und zwar auch im Westen.

    Alles in allem eine durchschaubare Nummer. Und hier nochmal zum hinter die Ohren schreiben: die sogenannte afD ist nicht ein Erbe der DDR bzw. linker und/oder sozialistischer Ideen. Diese Partei zeigt lediglich die wahre Natur eines Systems mit dem sich alle bis auf die Linkspartei völlig unkritisch arrangiert, nein sich ihm sogar unterworfen haben. Besonders Grüne und sPD haben hier nachhaltig Vertrauen zerstört.

  • Das gute Ergebnis in Berlin muss DIE LINKE konsequent bundesweit fortsetzen. Die Partei hat mehrt Potential als FDP oder AfD.

     

    Zusammenarbeit mit Mieter- und Arbeitsloseninitiativen bringt viele Stimmen. Dennoch muss die Partei mehr erreichen z.B. bei individuellen Politik (Jemandem Helfen Verfassungsbeschwerde zu schreiben...) und die Ergebnisse immer wieder veröffentlichen.

     

    Sollte SPD in die Opposition gehen, dann müssen auch Verfassungsklagen bei sozialen Themen her!

     

    DIE LINKE muss Wähler vor allem auf der Straße ansprechen, wo ja die AfD die meisten angelt.

     

    Auch Volksentscheide müssen zusammen mit Initiativen durchgesetzt werden. Sicherlich hätte die FDP weniger Prozentpunkte bei der Wahl geholt, wenn nicht der Volksentscheid, dieser allerdings – nebenbei erwähnt – mehr Schaden bringt als Nutzen für die Allgemeinheit.

     

    DIE LINKE hat sich in Deutschland nicht nur als die beste Oppositionspartei etabliert, sondern auch als Helfer kleiner Leute oder Leute, die nicht weiter wissen und Hilfe brauchen.

  • Die gesamte Linke hat seit dem Zusammenbruch des Ostblocks ihren Kopf in den Sand gesteckt und nicht an ihrer politischen Vision gearbeitet. Bis auf einen gewissen sozialen Anspruch und vor sich her getragene Internationalität und sportlichen Antifaschismus (nicht dass daran an sich etwas falsch wäre) ist da nur noch Hilflosigkeit.

     

    Eigentlich müsste man da noch ein paar Jahrzehnte weiter zurückgehen und das jämmerliche Scheitern der linken Ideen auf Staatsebene mal schonungslos analysieren. Denn einfach nur stur links sein überzeugt niemanden, wenn es vor allem voraussetzt, dass man fest die Augen vor diesen Fakten verschließt.

     

    Solange der Widerspruch zwischen dem Internationalismus des Kapitals und dem Internationalismus des Elends nicht dialektisch aufgehoben wird, wird dieser Prozess weitergehen. Wir haben die Werkzeuge dazu, aber wir haben sie verrosten lassen. Ohne das wird der Kapitalismus wieder schnurstracks in den Faschismus münden, aber diesmal mit weniger Gegenwehr und weniger Gegnern.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Mustardman:

      Schöne Gleichmacherei.

      Aber Sie haben die Lösungen.

      Warum hat man von Ihnen in der Politik noch nichts gehört? Haben Sie wie alle anderen den Kopf in den Sand gesteckt?

       

      Wenn links sein verschimpft wird und linke Kritk an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird, dann kann es nichts werden. Dann engagieren sich die Meckerer nicht mehr links, sondern werden ressentimentgeleitet.

       

      Wenn die Mehrheiten in der Linkspartei anders wären, würden es auch andere Politikansätze ins Programm schaffen, die es schon gibt. Die Verantwortung für das politische Handeln wird dann lieber auf "die Linke" abschoben, als sei das eine Einheitspartei.

       

      Warum gibt es denn nur "Die" Linke und nicht noch eine zweite "westdeutsche" Linke, wenn "die bolschwistischen Ossis" es immer versauen zusammen mit den Lafontaine-Anhängern aus dem Westen und dem progressiven Rest, den es in der Wahrnehmung gar nicht gibt?! Die Grünen kann man ja nicht wirklich eine linke Partei nennen.

      Wo ist die Erfahrung aus 40 Jahren Demokratie, die der Erfahrung aus 40 Jahren Sozialismus so knallhart überlegen ist? Bei den Grünen? Die haben jede Hartz-IV-Reform abgenickt und damit das Grün-Sein in den Dreck gezogen.

       

      Sowas kotzt mich echt an. Da wird lieber die DIE PARTEI hofiert wie eine linke AfD mit Witzchenheft.

       

      Ich nehme mich da nicht aus, wenn es darum geht parteipolitisch aktiv zu sein. Wer denkt er*sie hat etwas beizutragen, sollte sich nicht verstecken.

      Wir brauchen eine neue linksgrüne Partei, die nicht nur an "die Zukunft" denkt, sondern auch an die Gegenwart und die die Vergangenheit nicht verklärt, auch nicht die "eigene" bundesdeutsche Vergangenheit oder die "andere" DDR-deutsche.

      Nicht solche Lari-Fari-Parteien ohne Konzept oder mit nur einem Ziel, Auch keinen neuen neoliberalen Abklatsch mit dem netten sozialen Unternehmer, wie es die taz oft bringt. Dieses Konzept ist auch aus der Vergangenheit und ist gescheitert. Das merken Unfried und Co. leider selbst nicht, dass sie so ähnlich sind wie Lafontain.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Na, geht doch. Aber da hilft es nicht zu meckern, da muss man mal nachdenken und die Politikgeschichte mal abrollen und Fehler ausfindig machen und eine Strategie entwickeln.

         

        Und ich tue das gerade, ja. Ich bin noch nicht ganz fertig damit, aber ein paar interessante Sachen weiß ich schon. Zum Beispiel, dass die Differenz zwischen Marktwirtschaft und "Links" viel kleiner ist als die zwischen Faschismus und "Links": Es ist viel leichter, eine gerechte, menschliche und soziale Marktwirtschaft hinzubekommen als einen gerechten, menschlichen und sozialen Faschismus.

         

        Im Grunde sind sich die SPD, die Grünen und auch die CDU nur in Details mit den Linken uneinig, die Rechten aber prinzipiell.

         

        Linke.SPD.Grüne.CDU.FDP..CSU...................................AfD

         

        So sieht das Spektrum gerade aus und auf der linken Hälfte davon tut man so, als müsse man seinen Bruder erschlagen, um gehört zu werden.