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■ Bonn apartDie Lichtgestalt

Beckenbauer in Bonn. Am vergangenen Dienstag. Um 11 Uhr. Die Lichtgestalt, der Zauberer, der Glückspilz. Was macht so ein Ausnahmekönner in Bonn? Einen Golfplatz einweihen? Ein neues Opel-Haus eröffnen? Der Bonner Bild-Redaktion einen Besuch abstatten? Oder, uns stockt der Atem vor lauter Begeisterung: gar seine politische Karriere ankündigen? Doch da enttäuschte uns der Kaiser. Selbst nach seiner aktiven Karriere als Kolumnenschreiber und Fernsehplauderer kann er sich nicht vorstellen, in die Politik zu gehen. „Ich habe etwas gegen Dogmen. Ich will die Freiheit haben, Parteigegnern mit guten Ideen zuzustimmen. In der Politik ist das ja nicht möglich.“ Das ist Beckenbauer. Er hat immer recht.

Nun war er also in Bonn. In der Bundespressekonferenz. Auf seinem gelben Jackett prangte ein Button mit der Aufschrift: „I love to live“. Zu seiner Rechten saß Gesundheitsminister Horst Seehofer. Und strahlte. Er freute sich an seinem prominenten Begleiter, wie eine Frau an ihrem Brillantkollier.

Es würde also nicht nur um Fußball gehen. Daß sich die Politiker aber auch überall einmischen müssen ... Dann öffnete Franz Beckenbauer den Mund zum Sprechen. Das Blitzlichtgewitter setzte für einen Moment aus. „Ich fühle mich ein wenig unwohl in meiner Haut. Noch nie ist es passiert, daß ich vor einem Minister zu Wort komme.“ Das sollte Beckenbauer sein? Der sogar Günter Jauch ungestraft ins Wort fallen durfte?

Zögerlich tastete er sich weiter vor: „Sie werden sich vielleicht fragen, was ich mit Organspenden zu tun habe.“ Nein – schrie es in uns auf. Wir wollen wissen, ob Matthäus und Klinsmann nächste Saison zusammen bei Bayern München spielen, wer Europameister wird und vor allem, wann wirst du wieder unser Teamchef?

Doch der Kaiser erhörte uns nicht. Gnadenlos fuhr er fort: „Unsere Verantwortung, ich will nicht sagen unsere Menschenliebe, ist es, anderen zu helfen.“ Deshalb wolle er für Organspenden werben. Seehofer nickte zufrieden und steuerte noch bei, wie dringend Organe in Deutschland gebraucht würden. Alle Journalisten scharrten längst mit den Füßen, um nach dem Ende der Organwerbung als erste am Rednerpult zu sein. Denn das sollte der Tag zumindest bringen: Wenn Beckenbauer schon nicht über Fußball doziert, dann wollen wir doch wenigstens ein Autogramm haben. Markus Franz

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