Die Kunst der Woche: Unendliche Wappen
In der Ausstellung „Erzähl der Zeit“ bei Nagel Draxler zeigt Kalin Lindena ihre Shaped Canvases, einen aufregenden Lampion und neu definiertes Gestänge.
Es bedarf schon eines gewissen Maßes an Kühnheit, um seine Shaped Canvases wie Wappen aussehen zu lassen, ganz so, als sammelten sich hier die Insignien einer privaten Dynastie von bespannten Holzkumpanen. Fragt sich nur noch, was zuerst da war, der unerschrocken geformte Rahmen oder die frei der Nase nach zugeschnittene Leinwand.
Vielleicht hat Kalin Lindena es der Zeit anvertraut, so deutet es der Titel ihrer Einzelschau bei Nagel Draxler am Rosa-Luxemburg-Platz an, die gleichzeitig ihr 20-jähriges Jubiläum mit der Galerie markiert. Für „Erzähl der Zeit“ hat sie die Räume der Galerie nicht nur mit ihren aktuellen Bildern bestückt, sondern auch bis zur Bürotheke mit skulpturalen Wegweisern bedacht. Bei einigen handelt es sich um minimalistische Metallskulpturen in kräftigem Gelb.
Und dann ist da noch der Lampion aus Beton, der auf der Theke thront und den hiesigen Tanzball zu seinem Höhepunkt geleitet. Bei aller feinstaubigen Füllung ist er wunderbar haptisch und er variiert so subtil in den Farbverläufen im sonst so neutralen Baustoff, dass man ihn glatt umarmen will. Das macht tierischen Spaß. Und wenn dann das Bild dahinter auch noch „Tulpen und Narzissen“ heißt, ist klar, das einst Königliche trifft auf anarchistische Hoffnung.
Denn bei Kalin Lindena kann alles ein legitimes Material sein. Es wird auf Stoff gebeizt: Die dunkel gehaltene Arbeit „den Versuch“ mit der wunderbaren orangenen Kante und der sanften Spirale am Rand und ihr rotes Pendant „Versuch über“ lassen sich vor dem inneren Auge wie zwei Hälften zu einem Emblem zusammenfügen. Statt einer Kutsche rattert hier im Übrigen die U-Bahn umher und das Gelb der Metallstangen wirkt plötzlich merkwürdig vertraut. Hielten wir uns nicht gerade auf dem unterirdischen Weg hierher noch an ihnen fest? Kalin Lindena aber erlaubt es uns mit ihrer Malerei, endlich loszulassen.
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