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Die Kunst der Woche für BerlinGang auf dem Zahnfleisch

Niemand fletschte beim Sellerie Weekend so eindrücklich die Zähne wie Clara Bahlsen und Sophie Aigner im Kleinen Raum für aktuelles Nichts.

Brocken, Zähne, Finger und immer wieder: „Außendran die Beine“ Foto: Clara Bahlsen

Vor dem Fenster des Projektraums Kleiner Raum für aktuelles Nichts hatte es sich ein knallgrüner Staudensellerie bequem gemacht. Wo sich solche Stile tummelten war am letzten Aprilwochenende ganz klar Sellerie Weekend. Unter dem Banner des Knollengemüses präsentierten die Berliner Off-Spaces ihr Programm. Im Kleinen Raum, den Michael Disqué und Anna-Lena Wenzel in einem Hinterhof in der Kreuzberger Graefestrasse betreiben, läuft die Ausstellung „Außendran die Beine“ von Clara Bahlsen und Sophie Aigner dankenswerter Weise noch ein paar Wochen weiter.

Außendran also Beine. Oder Finger. Oder Nasen. Über Kreuz wie beim Wünschen. Oder als Viererparade, die die Nasenlöcher flattern lässt. So arrangiert Sophie Aigner hier die Riecher, Tonreliefe, an denen unten noch ein bisschen Rachenfortsatz herausragt. Es kann auch passieren, dass sie Nasen und lange Gliedmaaßen mit Ölkreiden, Marker und Graphit auf Blätter zeichnet wie in ihrer Serie „Die lieben Beiden“ von 2019. Dann fangen die Nasen an, einander zu umkreisen und die Nasenlöcher, den Platz zu wechseln.

Außendran also Beine. Und: „Noch weiter draußen die Zehen und Finger“. So steht es im Ausstellungstext, der allerlei Mundwerk einführt, sich an Angst vorbeischleicht und schließlich am Glück entlanghangelt bis er auf Knochen trifft – hier beginnt scheinbar ein Kabarettstück, so witzig ist das. Und so clever korrespondiert das Wort mit der zentralen Korrespondenz, die hier zwischen den Werken freigesetzt wird, wenn Clara Bahlsen kleine Steinchen auf gehäuftem Sand fotografiert und das ganze „Zähne“ nennt.

Die Ausstellung

Clara Bahlsen & Sophie Aigner: Außendran die Beine. Kleiner Raum für aktuelles Nichts, 6. und 13. Mai je 14–18 Uhr + nach Vereinbarung, Graefestr. 91 (Hinterhof)

Für die zweite Fotoarbeit ist die Künstlerin bis in die Jungsteinzeit gereist. Auch ohne die Formation des Großsteingrabs „Visbeker Braut“ und dessen Sage über Steinwerdung als Befreiungsakt zu kennen, spielen sich zwischen den Felsbrocken Beziehungsdynamiken ab. Steinknacker und Zahnersatz – ein Biss in den Stangensellerie und ich kann es nur empfehlen, sich von Sophie Aigner und Clara Bahlsen auf den Zahn fühlen zu lassen.

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1 Kommentar

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  • ..... der allerlei Mundwerk einführt, sich an Angst vorbeischleicht und schließlich am Glück entlanghangelt bis er auf Knochen trifft ....



    Solche Sätze ziehen mich an.



    Ein bischen versuche ich noch zu verstehen. Na ja allet wird gut!



    .... Letztens erst hat eine von uns gesagt, Knochen können lose sein, aber Haut hält sie immer noch zusammen. ..



    Das Gefühl habe ich manchmal auch!



    kubaparis.com/submission/314473