„Die Kulturgeschichte des Sports“: Von Pentathlon und Pallone

Wolfgang Behringer hat für die „Die Kulturgeschichte des Sports“ überraschende Fakten zusammengetragen. Die serviert er in kleinen Häppchen.

Veränderte Kleiderordnung: In der Antike hätte Robert Harting den Diskus nackt geworfen. Bild: dpa

Auch der Versuch der Prohibition konnte den geilsten Sport der Welt (landläufige Meinung) nicht aufhalten. Im England des Spätmittelalters, 1315 war es, als der Regent Eduard II. einen der vielen Vorläufer des Fußballspiels verbannen wollte: „Wenn es diesen lauten Lärm in der Stadt gibt, den die Leute auslösen, wenn sie einem großen Ball nachjagen, von dem großes Unglück ausgehen wird, befehlen und verbieten wir auf Geheiß des Königs, unter Androhung der Gefängnisstrafe, solche Spiele in Zukunft in der Stadt zu spielen.“ Zwar trugen sich die Spiele damals noch etwa anders zu, und nicht selten spielte man von Stadttor zu Stadttor, aber im Mutterland wurde schon damals gekickt.

Dank des jüngst erschienenen Bandes „Die Kulturgeschichte des Sports“ bekommt man solche einigermaßen überraschenden Fakten in kleinen Häppchen serviert. Die vom Historiker Wolfgang Behringer verfasste Chronologie füllt in dieser Form eine Lücke.

Eine kurze, komprimierte Darstellung der Epochen des Sports von der Antike bis in die Gegenwart fehlte bis dato. Der Ausgangspunkt Behringers ist der olympische Gedanke im alten Griechenland, von dort aus erzählt er im Kern die Sportgeschichte Europas, wirft aber auch einen Blick auf die anderen Kontinente.

Behringer räumt kräftig mit der Annahme auf, der moderne Sport – vor allem die Ballsportarten – hätte sich aus dem Nichts entwickelt. Ein großes Verdienst der Abhandlung ist die gründliche Historisierung menschlichen Spiel- und Sporttreibens.

Zivilisation schreitet durch Sport voran

Ein noch größeres Verdienst: Das Ganze ist gut lesbar und unterhaltsam. So ist es spannend zu verfolgen, wie die Zivilisation durch Sport voranschreitet, wie in einigen Regionen kriegerische oder kämpferische Handlungen nahtlos durch sportliches Kräftemessen ersetzt werden.

Der erste Schwerpunkt liegt in der Entstehung der Olympischen Spiele der Antike. Insgesamt 293 Olympien (so nannte man die Spiele) sollen seit der frühesten Datierung im Jahr 776 v. Chr. bis ins Jahr 393 n. Chr. stattgefunden haben. Die zentralen Sportarten damals waren Laufwettbewerbe, Ringkämpfe, Faustkämpfe, Diskuswerfen und der klassische Pentathlon, der dem heutigen Zehnkampf in abgespeckter Form entspricht. Frauen nahmen damals nicht teil, die männlichen Artgenossen hingegen frönten den Disziplinen nackend.

Mit dem römischen Pendant, den Ludi Romani, und mit den gewaltigen römischen Bauten für Sportveranstaltungen wie dem Circus Maximus (der damals 150.000 Besucher fasste und in dem viele Wagenrennen stattfanden) und dem Kolosseum, das in vielen Städten entstand, arbeitet sich Behringer sehr gründlich durch die Antike.

Beide Kapitel sind eine Fundgrube. Man bekommt eine Vorstellung, wie eng Gelehrtenkultur und Sportkultur in der griechischen Antike verbunden waren. Oder man wundert sich, dass es bei den alten Griechen schon quasi-professionelle Sportartikelhersteller gab, die dem Diskus den richtigen Schliff gaben.

Frauen mit dem Baseballschläger in der Hand

Es folgen die schon angesprochene sportlichen Geschehnisse des Mittelalters. Man erfährt, dass im späten Mittelalter das Jeu de Paume, die frühe Version des Tennis, Verbreitung findet. Und auch Pallone wird hier erstmals gezockt: Das Spiel kann als Vorläufer des Tennis (hier scheint die Tennis-Zählweise seinen Ursprung zu haben), des Volleyballs und des Faustballs gesehen werden.

Auf dem Weg in die Moderne erfährt man, dass eine Kommerzialisierung schon im späten 17. Jahrhunderts beim Boxen in England stattgefunden hat. Oder dass 1792 in England die erste Sportzeitschrift erschien (The Sporting magazine). Und landet dann schließlich bei der ersten größeren Frauensportbewegung Ende des 19. Jahrhunderts, als insbesondere auf dem Rad oder mit dem Tennis- oder Baseballschläger in der Hand gegen die männliche Vormachtstellung gefochten wurde.

Schließlich spricht Behringer auch noch die großen Themen des Sports unserer Zeit an: Doping, Emanzipation, Behindertensport, die Entstehung von Fankulturen, Trendsportarten, Kommerzialisierung et cetera – man vermisst nichts. Auszusetzen hat man angesichts der Fülle und Dichte an Informationen vielleicht nur, dass es zwar ein Personen-, aber kein Stichwortregister gibt. Der detailreiche Inhalt aber schließt viele Wissenslücken beim Leser – nicht nur, was den geilsten Sport der Welt betrifft.

Wolfgang Behringer: „Die Kulturgeschichte des Sports“. C. H. Beck Verlag, 494 S., 24,95 Euro

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.