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■ Die Kosten steigen, die Staatsverschuldung wächst – und für Rot-Grün bleibt nur ein Argument: Es geht um die Zukunft.Die Ideologie vom „kreativen Sparen“

Der CSU-Finanzexperte hat einmal gesagt, Haushaltspolitik lehre die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Am Ende kenne man den Unterschied zwischen Millionen und Milliarden. Es sind genau drei Nullen.

So banal kann Politik sein. Es dürfte der abgetretenen Kohl-Mannschaft die größte Schadenfreude bereiten, daß die rot-grüne Regierung sich der Banalität des Haushalts jetzt beugen muß.

30 Milliarden Mark müssen im Bundeshaushalt eingespart werden, fordert Bundesfinanzminister Eichel. „Wir dürfen nicht zulassen“, schrieb er an seine MinisterkollegInnen, „daß die Gestaltungsfreiheit kommender Generationen durch eine ausufernde Staatsverschuldung in unzulässiger Weise beschnitten wird.“

In der Tat: Staatsschulden machen die Gesellschaft nicht gerechter, genausowenig wie Einsparungen.

Fast jede vierte Steuermark wird inzwischen dafür ausgegeben, die 80 Milliarden Mark Zinsen zu zahlen, die der Bund für seine Staatsschulden aufbringen muß. Ein Rekord. Das Geld geht via Banken an die Besitzer von Schuldverschreibungen und Bundesobligationen – und kommt von jenen, die Einkommensteuern berappen, vor allem von Angestellten und Arbeitern.

Hohe Staatsschulden sind nicht sozial. Vor allem gegenüber kommenden Generationen nicht, die weiter Steuern für die Staatsschulden zahlen müssen.

Die Spardebatte von heute läßt sich daher nicht mehr mit den gleichen Argumenten ideologisch aufladen wie früher, als sich die Kohl-Regierung mit der SPD-Opposition noch erwartbare Gefechte lieferte. Sparen hat weder etwas mit Reformen zu tun noch mit radikalem Sozialabbau, das hat die Vergangenheit gezeigt. Selbstredend aber trifft Sparen im Bundeshaushalt tendenziell am meisten jene, die auf Transferzahlungen aus den Kollektivsystemen angewiesen sind: Arbeitslose, demnächst wohl auch RentnerInnen. Ein „soziales Sparen“ gibt es nicht, auch nicht unter Rot-Grün.

Es ist daher zu vermuten, daß der alte ideologische Streit um „gerechte“ und „ungerechte“ Kürzungen unter Rot-Grün abgelöst wird von einer neuen Ideologie des „kreativen“ und des „unkreativen“ Sparens oder, umgekehrt, vom Gegensatz zwischen zukunftsträchtigem, nachhaltigem und nur verschwendendem Wirtschaften.

Nicht nur Eichels Brief an die Ministerien stellt dieses Moment der Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß hat schon erklärt, die Bereiche von Forschung und Technologie würden von der großen Sparaktion eher verschont.

Poß folgt politisch instinktsicher dem Zukunftstrend – und lehnt den Vorschlag von Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs umgehend ab, die für eine Art neue Vermögensteuer plädierte. Denn höhere Steuern, das ist ein Lied aus alten Zeiten, wo das Bundesverfassungsgericht schließlich erklärte, daß man den Besitzenden durch eine Vermögensteuer nicht zuviel abnehmen darf.

Doch auch der neue Diskurs über „kreatives“, über zukunftsträchtiges Sparen ist nur Begleitmusik weniger neuer Machtkämpfe. Es werde nicht ohne Eingriffe in Leistungsgesetze gehen und nicht ohne Eingriffe in Subventionen, hat Minister Eichel schon angekündigt. Man kann sich schon vorstellen, wie in den nächsten Monaten Politik und Verbände ihre Auffassung vom „kreativen Sparen“ auffahren – selbstverständlich im jeweils eigenen Interesse.

Unternehmen drohen, daß Jobs verschwinden, wenn Subventionen wegfallen. Die Wohlfahrtsverbände argumentieren, daß Kürzungen der Renten und Arbeitslosenunterstützungen künftig nur die Zahl der Sozialhilfeempfänger vergrößern werden. Die Vertreter der Forschungs- und Technologiepolitik erklären, daß man in diesen zukunftsstarken Bereichen auf gar keinen Fall kürzen dürfe.

Gut möglich, daß dann am Ende beim Sparen in einem Lobbyistenstaat die vielgescholtene „Rasenmähermethode“ nicht einmal die unfairste ist. Keiner kann sich wichtig machen, wenn jedes Ministerium etwas abgeben muß. Nach der Rasenmähermethode teilen auch Kinder. Die nüchternen Sparvorgaben Eichels an alle Ministerien hätten dann auch ein Moment der politischen Regression. Darin kann auch Ehrlichkeit liegen.

Ende Juni erst will Eichel die Sparkonzepte vorlegen. Sein Kalkül: Wenn alle dann gleichzeitig aufschreien, sind die einzelnen Proteste nicht mehr herauszuhören. Aufgebrachte Mittelständler, empörte Rentnerinnen, klagende ABM-Projekte und Hochschulvertreter können sich politisch gegenseitig auch neutralisieren.

Die Sparideen selbst dürften dabei kaum neu sein: Werden die Beschäftigungsmaßnahmen und Weiterbildungskurse eingedampft? Kürzt Riester bei der Arbeitslosenhilfe? Zahlen die Arbeitsämter künftig geringere Sozialversicherungsbeiträge ein? Müssen die RentnerInnen was abgeben? Geht es an die Subventionen für Kohle und Schiffbau? Wird beim Aufbau Ost gekappt?

Möglicherweise muß die SPD-Fraktion dann für Änderungen an Sozialgesetzen stimmen, die von den Sozialdemokraten im Bundesrat zu Zeiten der Kohl-Regierung munter abgelehnt wurden. Damit ist eine neue Phase der Politik erreicht: Die sozialdemokratische Spar-Opposition hat sich abgeschafft, indem sie in die Regierung wechselte.

Wird bei der Arbeitslosenhilfe gekürzt, ist die Richtung klar. An der Mindestsicherung, sprich Sozialhilfe, wird nicht gerüttelt. Aber wer mehr bekommt an Sozialleistungen, muß vielleicht bald was abgeben. Gleiches gilt für die Zukunft der Rentnerinnen und Rentner, wenn die Altersbezüge gekappt werden.

Gut möglich, daß in Zukunft die Sozialpolitik der letzten Jahre nur als eine Politik der Verzögerung erscheint. Was die interessante Frage aufwirft, ob Verzögerung immer schlecht gewesen sein muß. Die politische Rhetorik von heute jedoch haßt alle Begriffe, die mit Stagnation und Bewahrung zu tun haben. Der ideologische Trend verlangt, daß die Zukunft positiv sein muß, irgendwie. Es ist zu befürchten, daß die Sparaktionen zu einer „Reform“ aufpoliert werden.

Walter Riester hat in einem Interview schon angekündigt, Sparen gebe es nur mit „Reformen“. Kanzleramtsminister Bodo Hombach fordert schon seit längerem ein Ende der „Absicherungsmentalität“ der Deutschen, mehr „Eigeninitiative“, den „aktivierenden Staat“, so als seien die Bürger Rheumakranke, die sich allein nicht mehr aus dem Bett wagen. Dabei wissen alle, daß durch den Sparzwang niemand zu einem besseren Menschen wird. Es ist eine politische Ironie, daß jetzt Rot-Grün diese Ernüchterung den WählerInnen verkaufen muß. Barbara Dribbusch

Heute schon wird fast jede vierte Steuermark für Staatsschulden ausgegeben

Ein „soziales Sparen“ kann es nicht geben – auch nicht unter rot-grüner Regie

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