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■ Die Kochtöpfe als Schmelztiegel der Kulturen: ein Buch über die sinnlichen Freuden im maurischen SpanienAloe, Ambra, Anis ...

Man nehme eine feuerfeste Tonschale und röste darin bei sehr kleiner Hitze Sesamsamen und geschälte Mandeln, bis sie goldbraun und trocken sind. Anschließend zerstampft man beides in einem Mörser. In dem noch warmen Tongefäß lasse man das Haschisch zusammen mit etwas Butter schmelzen und gebe etwas Honig dazu, bis eine gut formbare Paste entsteht. Zu dieser füge man zusammen mit frisch geraspeltem Ingwer das geröstete Sesam- Mandel-Pulver. Schließlich schmecke man mit Zimt, Muskat und Rosenwasser ab. Nun forme man aus der entstandenen Masse kleine hasel- bis walnußgroße Kugeln und rolle sie in geröstetem Sesamsamen. Alternativ dazu kann man die kleinen verführerischen Bällchen in Puderzucker rollen, so daß sie von außen unschuldig weiß erscheinen. Man serviere sie, wie alles feine Konfekt, in einer silbernen Schale.

In Andalusien gab es unzählige Varianten dieses Grundrezepts mit Datteln, Walnüssen, Feigen, Anissamen, Zitronenschalen, Pinienkernen, Orangenblütenwasser und Pfefferminze. Peter Hilegard beschreibt in seinem Buch „Der maurische Traum“ den Umgang mit Gewürzen, Düften, Rausch- und Liebesdrogen im maurischen Andalusien.

Die Kochtöpfe waren im wahrsten Sinne des Wortes die Schmelztiegel der Kulturen. In Andalusien trafen europäische, arabische und jüdische Lebensgewohnheiten gaumenfreudig aufeinander. Man frönte dem sinnenfreudigen Hedonismus. „Nicht unersättlicher Lebensgenuß war es, den die Juden und die Mauren jener Tage suchten, sondern die Aufgeschlossenheit für das irdische Leben und die Werte des menschlichen Daseins. Der Maure und der Jude hatten offenen Augen für den Reichtum und die Schönheit der Welt, gleichzeitg aber auch ein tiefes Bedürfnis nach Stille und Maß“, schreibt Hilegard. Sie lebten vor, was im christlichen Abendland schon immer faszinierte: Genuß ohne Reue. „Die Freizügigkeit und Toleranz in al-Andalus beim Gebrauch von Liebesdrogen stand in krassem Gegensatz zum christlichen Europa, wo sich die Unterdrückung der Sexulität als Machtmittel der Kirche und des Staates etabliert hatte“, weiß der Autor. Die Gesellschaft in al-Andalus war in gewissem Maße bereits von einem naturwissenschaftlichen Denken durchdrungen, wie dies im übrigen Europa erst mit der Renaissance aufkam.

Hilegards Darstellung der Sinnlichkeit des maurischen Andalusien ist eingebettet in die historischen und kulturgeschichtlichen Zusammenhänge dieser Epoche. Das immer wieder strapazierte Bild von al- Andalus wird nicht als multikulturelle Idylle verklärt. Hilegard deutet auch die Widersprüche und Konflikte dieser Gesellschaft an. ed

Peter Hilegard: „Der maurische Traum – Dimensionen der Sinnlichkeit in al-Andalus“. Verlag Winfried Jenior, 1997, 255 S., 34 DM

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