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INTERVIEW„Die Iren stehen auf der Stufe der Neandertaler“

■ Anne O'Leary aus Dublin ist Mitinitiatorin der am Montag gegründeten Kampagne gegen das konstitutionelle Abtreibungsverbot in Irland/ Sie glaubt, daß die Kampagne auch nach dem Urteil weitergehen wird

taz: Das höchste irische Gericht hat am Mittwoch die Entscheidung der ersten Instanz aufgehoben, wonach einem vergewaltigten 14jährigen Mädchen die Ausreise nach England untersagt wurde, um eine Abtreibung zu verhindern. Ist damit alles erledigt?

Anne O'Leary: Ich freue mich natürlich für das Mädchen und ihre Familie, aber das allgemeine Problem ist damit keineswegs gelöst. Zwar wird die Begründung für das Urteil erst nächste Woche nachgeliefert, aber zu einer verbindlichen Klärung der Rechtslage oder gar einer Lockerung des generellen Abtreibungsverbots wird es mit Sicherheit nicht führen.

Verschiedene Abgeordnete waren über das Ausreiseverbot entsetzt. Was können Politikerinnen und Politiker jetzt unternehmen?

Das mindeste wären ein paar Gesetze, die den schwammigen Verfassungsparagraphen konkretisieren, was ja bereits 1983 geschehen sollte. Was heißt denn: „Die Mutter hat das gleiche Lebensrecht wie das Kind“? Das ist doch Blödsinn. Wenn das Leben der Schwangeren gefährdet ist, betrifft das doch auch den Fötus. Einschränkend steht dann da: „Soweit es praktikabel ist.“ Und wer bestimmt, was praktikabel ist? Wir haben ja gesehen, wozu das führen kann.

Besteht jetzt nicht die Gefahr, daß sich viele mit dem Urteil des höchsten Gerichts zufrieden geben werden und die Kampagne einschläft?

Das glaube ich nicht. Die Kampagne ist zwar durch den konkreten Fall der 14jährigen ausgelöst worden, aber sie geht weit darüber hinaus. Frauen haben einfach Angst. Erst heute früh hat ein Pfarrer erklärt, daß ein Ehemann das Recht hat, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, wenn seine Frau abtreiben will. Der Bischof hat ihm darin zugestimmt. Theoretisch kann jeder eine Frau anzeigen, die einen Schwangerschaftsabbruch plant. Selbst ein Vergewaltiger hätte dieses Recht.

Das irische Abtreibungsverbot ist durch ein Zusatzprotokoll im Maastrichter Abkommen verankert. Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, daß dieses Protokoll nun gestrichen wird?

Die Chancen stehen nicht schlecht. Irische Europa-Abgeordnete haben das Thema bereits angesprochen, das Europäische Parlament hat sich ebenfalls für eine Streichung eingesetzt, auch wenn es darauf bisher keinen Einfluß hat. Unsere Kampagne richtet sich nicht nur gegen das konstitutionelle Abtreibungsverbot in Irland, sondern auch gegen Maastricht: Wir müssen verhindern, daß das Abkommen im Juni per Referendum ratifiziert wird, wenn das Zusatzprotokoll dann noch Bestandteil davon ist. Darüber hinaus kämpfen wir gegen das verlogene Verbot, über Abtreibung in England zu informieren.

Der deutsche Europa-Abgeordnete Gerhard Schmidt hat gefordert, Staaten aus der EG hinauszuwerfen, wenn sie das „Zeitalter der Aufklärung“ noch nicht hinter sich haben. Wie stehen Sie dazu?

Er hat ja recht, wenn er sagt, die Iren stehen auf der Stufe der Neandertaler. Aber der Europäische Gerichtshof hat selbst bestätigt, daß die irische Regierung Informationen über Abtreibung im Ausland verbieten darf. Interview: Ralf Sotscheck

Kommentar Seite 12

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