Das Portrait
: Die Ignoranz des Experten Kleiber

■ Günther Kleiber

Unauffällig war er, der Wirtschaftsexperte der SED. Noch nicht einmal zu einem Spitznamen in der Bevölkerung reichte es, obwohl Günther Kleiber es zu höchsten Ehren und Orden im sozialistischen Deutschland brachte. 1931 im sächsischen Nirgendwo Eula geboren, stieg das Arbeiterkind in der Aufbauphase der DDR rasch auf. Diverse Ämter in der Staatsgewerkschaft ermöglichten dem gelernten Elektriker das Studium an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät in Dresden. Diplomingenieur Kleiber galt bald als Fachgenosse für EDV und koordinierte in den 70ern die Bemühungen der DDR um modernen Maschinen- und Fahrzeugbau. Diese Funktion behielt er, wurde stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates und galt zeitweilig als kommender Mann in der Parteiführung. Der angestrebte Anschluß an den Westen gelang in Wirtschaft und Technologie nur teilweise, dennoch wurde die DDR unter Kleibers maßgeblicher Regie zu dem, was man so schön mit moderner Industriestaat umschrieb. Der Erfolg wurde rasch mit neuen Ämtern belohnt: Günther Kleiber, seit 1964 im ZK, ist ab 1984 Mitglied des Politbüros. Von Insidern zum inneren Machtzirkel gezählt, bestreitet Kleiber heute die Beteiligung an wichtigen Entscheidungen. Im Politbüro sei er über Fluchtversuche an der Grenze nicht informiert worden, habe gar die obligatorischen Umlaufmappen nicht gelesen. Heute illustrieren Kleibers Anwälte die unschuldige Ahnungslosigkeit ihres Mandanten mit privaten Szenen: „Kann man denn an der Grenze nichts ändern?“ sei Kleiber von seiner Ehefrau einmal gefragt worden und habe „Ich weiß es nicht“ geantwortet.

Der tiefe Fall des uninformierten Experten kam mit der Wende. Dem Ausschluß aus Politbüro und SED folgte 1990 die Verhaftung wegen Korruption. Volkeigenes Material war zur Privatdatsche verbaut worden. Dort einziehen sollte Sohn Thomas, vorher als Testfahrer für Skoda und Wartburg zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt. Ähnliche Fälle in den Familien Schabowski und Krolikowski ließen denn Unmut gegen die Wandlitzer Kader hochkochen, dennoch wurde Kleiber bald wieder aus dem Gefängnis entlassen. Vielleicht macht Familie Kleiber bald wieder Knastbesuche in Berlin: Siebeneinhalb Jahre Haft fordert die Staatsanwaltschaft für den 66jährigen Rentner. Robin Alexander