■ Die IG Metall verabschiedet sich vom Flächentarifvertrag: Eine Frontbegradigung
Ob es den großen Metallerstreik in Zukunft noch geben wird? Der Arbeitskampf der Metaller, der Nachfolger der Schmiede und Bearbeiter der magischen Rohstoffe des Industriezeitalters, symbolisierte einst den sozialen Konflikt. Die IG Metall war immer die mitgliederstärkste Gewerkschaft, also hatten ihre Kampfsignale immer auch einen politischen Ton. Riefen die Metaller zur Solidarität, mußten alle Gewerkschafter im Land hinhören.
Das wird nicht so bleiben. Maschinenbauerstreik in Schleswig-Holstein, Automobilerstreik in Mecklenburg-Vorpommern – das geht nicht mehr die Nation an. Der Name der Solidarität wird künftig um zwei Schriftgrade kleiner geschrieben werden müssen. Das weiß auch die IG-Metall-Führung. Sie kennt den Preis, aber sie tat, was unvermeidlich war: Abschied vom Flächentarifvertrag. Dieser bleibt zwar immer noch die Norm, aber die betriebliche Öffnungsklausel, die Abweichungen aus den Überlebensinteressen des Unternehmens erlaubt, ist längst normal. In der Metallindustrie der ostdeutschen Länder ist die Öffnungsklausel gar zur Norm geworden, die Einhaltung des Flächentarifs die Ausnahme.
Die auf den Tariflohn fixierten Konfliktlinien zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften werden also immer unübersichtlicher. Kampfdrohungen und Aktionen splittern sich auf, werden noch mehr entpolitisiert. Die Stärkung ihrer örtlichen Verteidigungsposition bringt eine Schwächung der Gesamtorganisation mit sich – ausgerechnet heute, da sich die Gewerkschaften angesichts der Arbeitslosigkeit wieder energischer in die politische Arena begeben müßten.
Die Auflösung der Tariffront ist auch der unvermeidliche Preis für die gewerkschaftliche Fusions- und Rationalisierungssucht. Zwickel und die IG Metall betreiben ja an erster Stelle die Schrumpfung des Gewerkschaftslagers auf fünf oder sechs Großorganisationen – die sehr buntscheckig aussehen werden. Die Kampfkraft wird dies nicht erhöhen. Rationalisierung von Bürokratien hat noch nie und nirgends weniger Bürokratie herbeigeführt.
Die pragmatische Frontverkürzung der IG Metall müßte nun die Arbeitgeber dazu bringen, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Krampfhaft halten sie sich noch immer an ihrem Haßfetisch Flächentarif fest, mit dem die Gewerkschaften den Standort zugrunde richteten. Die Wirklichkeit der Lohnfindung sieht längst anders aus als die Kampfparolen, die von den Verbänden noch hochgehalten werden. Claus Koch
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen