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■ Die IAA in Frankfurt: größer, schneller, bunter, ignoranterDer Tagtraum vom Fahren

Es ist leicht, die größte Autoausstellung der Welt zu kritisieren. Über die Schau der hochglänzenden, hochmotorisierten „Rennreiselimousinen“, deren eingebaute Leistung in Deutschland inzwischen das Zwanzigfache der Kraftwerksleistung beträgt, haben sich schon Generationen von Autokritikern ausgelassen. Man kann sich über die Vermarktung der ressourcenverbrauchenden „lackierten Kampfhunde“ mit großem Aufwand an Rhetorik, Messebauten und Hochglanzpapier natürlich lustig machen. Jede kleine Verbesserung wird dort mit Getöse als „Innovation“ vorgestellt, jedes neue Modell – „Mehr als 100 Neuheiten!“ – als Offenbarung verkauft, jede Designretusche als ästhetischer Durchbruch gefeiert.

Die Kritik an der 110 Jahre alten „Innovation“ und ihrer Präsentation fällt leicht – doch was soll's? Die Besucher gehen hin, zu Hunderttausenden, lassen sich nicht durch die obligatorischen Massenstaus auf den Zufahrtswegen abschrecken und nicht durch kilometerlange Bustransfers. Der abgegriffen scheinende Vergleich mit einer „Pilgerfahrt“ ist überraschend genau.

Der IAA-Besuch ist eine echte Massenbewegung, eine machtvolle Abstimmung für das Auto, eine Demonstration der Stärke der Autofaszination, ein Fest der Liebe zum Automobil, eine Volksbewegung für die Fahrmaschine. Umweltprobleme? Ressourcenverbrauch? Unfälle? Natürlich reagiert die Autoindustrie darauf. Doch die Besucher gehen milde desinteressiert an den Ständen mit pflichtschuldigen Hinweisen zur „Umweltfreundlichkeit“ vorbei. Sie sehen sich allenfalls im Vorbeigehen „neue Mobilitätskonzepte“ an. Und Airbags hat sowieso jeder Wagen – sie sind eine Art Unfallverhinderungsmodul, das magisch vor Verletzung und Tod schützt. Löblich, gewiß, daß der von Greenpeace weiterentwickelte Twingo präsentiert wird – ein paar Automanager werden sich dadurch sicher zu künftigen Dritt- und Viertwagenmodellen inspirieren lassen.

Doch der Ernst der Autofaszination beginnt erst mit der ritualisierten Bewunderung: Die Beschleunigungs- und Dynamikmaschinen fahren nicht, sie stehen einfach so da (das tun sie im richtigen Leben auch 96 Prozent der Zeit), laden zum Be-Sitzen ein, zur antizipierten Besitzlust. Das Fahren selber, Dynamik, Beschleunigung, Fahrfaszination, findet vorerst im Kopf statt. Die tagträumenden Besucher der IAA sind entrückt in eine Zukunft hunderttausendfachen Fahrglücks. Kritik am Auto? Wie bitte? Kurt Möser

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