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„Die Hauptfeinde sind die Banken“

Überraschende Gespräche mit Krupp-Chef Cromme über gemeinsamen Stahlbereich. Beschäftigte fürchten um ihre Arbeitsplätze — egal, wie die Verhandlungen enden  ■ Aus Duisburg Walter Jakobs

Eckhard Schulz hat kaum den Eingangsbereich zum großen Saal der Duisburger Rhein-Ruhr-Halle durchquert, da schlägt ihm schon ein scharfer Protest entgegen. Als er dann wenige Minuten später zum Rednerpult schreitet, reagiert der ganze Saal mit einem gellenden Pfeifkonzert. Da hilft es auch nicht, daß der Vorstandschef der Thyssen-Stahl AG die spontane Arbeitsniederlegung der rund 6.000 im Saal versammelten Beschäftigten – darunter nur wenige Frauen – ausdrücklich lobt. Der Produktionsausfall „schmerze“ zwar, aber der Vorstand „begrüßt die Initiative“, weil die Beschäftigten „das notwendige Zeichen gesetzt“ hätten. Im Saal stößt dieser Verbrüderungsversuch auf barsche Ablehnung. Die Belegschaft wirft ihrem Vorstand vor, er habe „gepennt“ und sich von Krupp-Chef Gerhard Cromme „über den Tisch ziehen lassen“. Den eigenen Chefs traut man auch deshalb nicht, weil in den letzten Jahren im Thyssen- Konzern ein scharfer Rationalisierungskurs durchgezogen wurde, der dem im Krupp-Hoesch-Konzern in nichts nachstand.

Doch trotz „unserer kritischen Haltung“, so der Betriebsratsvorsitzende Dieter Kroll, sitze im aktuellen Konflikt der „Hauptgegner nicht in der Vorstandsetage, sondern die Hauptfeinde sind die Banken“. Persönlich spricht Kroll den Vertreter der Deutschen Bank Ulrich Cartellieri an, der für den Übernahmeplan wesentlich Verantwortung trage.

Als Thyssen-Stahl-Chef Schulz wenig später ankündigt, daß nach einem Gespräch mit der Landesregierung die beiden Konzernchefs Dieter Vogel (Thyssen) und Gerhard Cromme (Krupp-Hoesch) schon heute Gespräche über ein gemeinsames Stahlunternehmen an der Ruhr aufnehmen würden, da geht die Bedeutung dieser Botschaft im Saal zunächst völlig unter. Auch der Einschätzung des Stahlchefs, wonach darin die Chance liege, „die Übernahme des Konzerns zu verhindern“, mag niemand folgen.

Nach der Belegschaftsversammlung sieht das anders aus: Betriebsratssprecher Dieter Kroll erklärt, daß die Arbeit heute „unter Vorbehalt“ wieder aufgenommen werde. Was die Arbeiter bei Krupp dazu sagen, war gestern bis Redaktionsschluß noch unklar. Am Mittag hatten sie beschlossen, aus Protest gegen die geplante Übernahme auch ihre Hochöfen auf den Notbetrieb herunterzufahren.

Tatsächlich klingt das Düsseldorfer Gesprächsergebnis nach den Aufregungen vom Dienstag sensationell. Beteiligt waren daran neben Vogel und Cromme der oberste Krupp-Boß und Vorsitzende der die Mehrheit im Krupp- Konzern haltenden Kruppstiftung, Berthold Beitz, Thyssen Aufsichtsratschef Heinz Kriwet, Ministerpräsident Johannes Rau und die beiden Minister Wolfgang Clement (Wirtschaft) und Heinz Schleußer (Finanzen). „Der auslösende Faktor“ für die angekündigte Übernahme, so heißt es in dem Gesprächsprotokoll, sei „die Situation im Stahlsektor“. Und weiter: „Es wurde Einvernehmen darüber erzielt, daß die beiden Unternehmen umgehend Gespräche über die Gründung einer gemeinsamen Stahlgesellschaft aufnehmen.“ Ziel der Gespräche sei es, „binnen acht Tagen ein gemeinsames unternehmerisches Konzept für den Stahlbereich zu erarbeiten. Dieses Konzept würde das angekündigte Übernahmeangebot der Krupp-Hoesch AG gegenstandslos machen“.

Und dann folgt ein Satz, der die anhaltende Skepsis von vielen in Duisburg gestern begründete. Sie fürchten, daß in acht Tagen alles wieder von vorn beginnt, denn für den Fall des Scheiterns der Gespräche, so heißt es in dem Papier, „kehren beide Seiten zu ihren Ausgangspositionen zurück“.

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