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Die Gurke des Tages

■ Der Kanzler

DIE

DER KANZLER

Diesmal haben sie nicht nur Diego Maradona gestoppt, sondern auch Helmut Kohl. In Mexiko, 1986, ist das nicht gelungen. Da hat er, zuvorderst neben dem Präsidenten de la Madrid, selbst wenige Dribbler auf der Tribüne mit seinen Krakenarmen eingefangen und an den noch nicht am Wolfgangsee entschlackten Leib gequetscht.

„Wenn er will, kann er kommen“, hat Beckenbauer gesagt, was zwar erfrischend unhöflich ist, aber einen wie den Kanzler nicht schrecken kann. Also war er auch in Rom, und daß sie ihn ein paar Reihen nach hinten setzten, hat ihn doch immerhin so irritiert, daß ihm bei der Hymne der Text nicht mehr... Wie war das doch mit Deutschland, Deutschland, über alles...?

Und ganz vorn stand später bei der Ehrung der Weizsäcker mit seiner vornehmen Art, sich zu freuen, und in dem Moment muß der Kloß alle Sperren durchbrochen haben. Auf einmal walkte er mit seiner so einzigartigen, feisten Aufdringlichkeit über den Rasen, doch die jungen Burschen in den weißen Trikots waren schneller, und für einen Moment schien es, als könnte hinter den tumben Äuglein die Frage zucken: „Was soll ich eigentlich hier“. Doch ehe die Antwort „Nichts“ den Empfänger erreichte, hatte der sein Gleichgewicht schon wieder gewonnen.

Sollte er jetzt nicht noch in die Kabine gehen und eine Rede halten? Aber sicher, und was muß das für ein Bild gewesen sein: Der Kloß im weinroten Jackett zwischen den zweiundzwandzig nackten, nassen, dampfenden, tobenden Männern, die mit Champagner spritzen. Und hält eine Rede!

Was hat er denn gesagt, fragt da die taz hinterhältig, und Uwe Bein schaut ganz ungläubig: „Wie soll ich das denn noch wissen.“ Vielleicht hat ja ein Stenograph mitgeschrieben und die Pressestelle vom Kanzleramt den Humor, in der Sommerpause ein extra Bulletin zu drucken. Wäre doch schade, wenn Kohls Unternehmen WM in der Geschichte einfach unterginge.

Thömmes

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