Erinnerung an Tamara Bunke in Berlin: Die Freundin von Che
In der DDR war sie ein Idol, im Westen Terroristin: Tamara Bunkes facettenreiches Leben gibt es bald als Film. An diesem Mittwoch wäre sie 88 geworden.
Sie war eine Spionin für die DDR, kämpfte für die kubanische Revolution und starb mit nicht einmal 30 Jahren an der Seite von Che Guevara als Guerillera im Dschungel von Bolivien. Die Geschichte von Tamara Bunke, weltweit bekannt und von sozialistischen Linken verehrt auch unter ihrem Kampfnamen Tania la Guerrillera, ist spektakulär schillernd und von immer noch ungeklärten Geheimnissen umrankt. War die Frau, die vor genau 88 Jahren geboren wurde, die Geliebte Che Guevaras, der wie sie in Argentinien geboren wurde? War sie gar schwanger von ihm? Hat sie ihn, der wie sie im Kampf für die sozialistische Weltrevolution von bolivianischen Soldaten erschossen wurde, am Ende verraten?
Bis heute wird über derartige Gerüchte und Mutmaßungen gefachsimpelt. Auch von Oliver Rump, der an der HTW Berlin bereits seit zwölf Jahren ein Forschungsprojekt über das Leben und Wirken Bunkes leitet und dazu auch eine Wanderausstellung konzipiert hat, die noch bis Ende November in Linz in Österreich gastiert. Die Bunke-Forschung, sagt er, sei „eigentlich ein lebenslanges Projekt. Es kommen immer neue Erkenntnisse hinzu.“ Zur Frage, ob da nun wirklich etwas lief zwischen Tamara und dem ewigen Posterboy der antiimperialistischen Linken Che, gibt der Professor allerdings eine sehr nüchterne Einschätzung: „Es gibt keine Indizien für eine Liebschaft.“
Spannend ist auch, wie nach ihrem Tod 1967 mit dem Gedenken an Tamara Bunke umgegangen wurde, erst in der DDR, dann im wiedervereinigten Deutschland. In der DDR wurde sie zur Staatsheldin, mehr als 240 Kollektive, Organisationen, Schulen und Straßen wurden nach ihr benannt. Doch nach der Wende wurde sie neu bewertet, man könnte auch sagen: gecancelt. Eben noch galt sie als Freiheitskämpferin, nun eher als Terroristin, die nicht unbedingt verehrt gehört. So wurden all die Gedenktafeln abgebaut, Gebäude und Straßen umbenannt. Nur im Örtchen Dabel in Mecklenburg-Vorpommern gibt es heute noch einen Gedenkstein zu Ehren Bunkes.
Ein wenig war die Bunke-Verehrung in der DDR aber auch verlogen. Die 1937 als Tochter von nach Argentinien exilierten deutschen Kommunisten Geborene kam mit der Übersiedlung ihrer Eltern nach Stalinstadt (heute Eisenhüttenstadt) in ein für sie fremdes Land. Sie studierte am Romanistischen Institut der Humboldt-Universität in Berlin, wo sie eine Zeit lang lebte, und engagierte sich für den Sozialismus.
Unwohlsein in der DDR
So richtig in der DDR angekommen ist sie dabei nie. „Sie tat sich mit dem Deutschen schwer, kam nicht mit dem Spießigen klar. Sie wurde gehänselt wegen ihres Akzents und wollte zurück in ihre Heimat, auch wegen ihrer Liebe zur Musik“, so Rump. Bunke ließ sich von der Stasi als Agentin anwerben und beantragte im Rahmen dieser Tätigkeit ihre Ausreise nach Argentinien. Als Che Guevara die DDR besuchte, wurde sie als seine Dolmetscherin eingesetzt. Sie war begeistert von der Revolution in Kuba, wohin sie nun wollte, was das Zentralkomitee der SED ihr 1960 dann auch erlaubte. Um danach zunehmend den Zugriff auf sie zu verlieren.
Was Bunke in Kuba und danach alles so trieb, ihre Ausbildung zur Kämpferin, ihre spätere Übersiedlung nach La Paz in Bolivien unter einer Scheinidentität, um Che Guevaras Pläne voranzubringen, die revolutionäre Glut Kubas nun nach Lateinamerika zu tragen, das alles wurde vom Stasi-Apparat so nicht abgesegnet. „Die Idee, die Revolution zu exportieren, verfolgte die DDR nicht“, so Rump, „sie war außerdem für einen von oben nach unten gerichteten Sozialismus, Che und Tamara dagegen agierten eher autonom, in ihren Entscheidungen selbstbestimmt, ohne Befehle von oben. Che hatte mit dieser Haltung Probleme mit Fidel Castro, Tamara mit der DDR-Obrigkeit.“
Zu denen, die von Tamara Bunke fasziniert sind, gehört auch der Regisseur Elmar Fischer, ein Wessi, der schon seit 20 Jahren Spielfilme dreht und für mehrere „Tatorte“ verantwortlich ist. Seit Beginn seiner Karriere trage er den Stoff für einen Spielfilm über Bunke mit sich herum, sagt er am Telefon.
Es gebe „verschiedene Tamaras“, sagt er, was eben auch daran liege, dass sie aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werde. Bei der Finanzierung seines Projekts habe das nicht unbedingt geholfen. Bereits vor zwei Dekaden habe er sich erstmalig darum bemüht, ein Filmprojekt über Bunke zu verwirklichen, wovon auch Lothar Bisky mitbekommen habe. Der war, bevor er erst bei der PDS und dann bei der Partei Die Linke zu einem der führenden Politiker wurde, Rektor der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg, also auch im Bereich des Films ein Mann vom Fach.
„Nicht auf der Seite der Sieger“
Bisky habe ihn also angerufen und zum Gespräch in seinem Büro im Bundestag eingeladen, berichtet Fischer. Und ihm gesagt: „Tamara stand nicht auf der Seite der Sieger. Und die Sieger schreiben immer die Geschichte. Ich glaube nicht, dass Sie diesen Stoff allein mit deutschen Geldern finanziert bekommen.“ An diese Worte habe er sich erinnert, so Fischer, als es in den letzten Jahren dann endlich doch immer konkreter wurde mit seinem Bunke-Projekt.
In diesen Tagen ist der Drehbeginn zu seinem Spielfilm, aber bis zuletzt musste er um Gelder kämpfen, weswegen er sogar eine Crowdfunding-Kampagne gestartet hatte. „Ich habe festgestellt, dass es bei Filmprojekten über Persönlichkeiten, die eher dem westlichen Narrativ entsprechen, einfacher ist, Gelder aufzutreiben als bei Pendants aus dem Osten“, so Fischer, „das ist einfach nur meine Beobachtung.“
Dabei sei das Interesse an dem Stoff, aus dem er im regen Austausch mit dem Bunke-Experten Oliver Rump ein Drehbuch entwickelt hat, groß. Alte Bekannte Bunkes hätten sich bei ihm gemeldet, einen „großer Drang, sich mitteilen zu wollen, eine Sehnsucht, über solche Themen aus der DDR zu berichten“, habe er verspürt. Trotz aller Widrigkeiten ist jetzt klar: Sein Spielfilm über Tamara Bunke wird kommen. Fertig abgedreht sein soll er nächsten Februar, dann folgt die Postproduktion. Für frühestens Ende 2026 ist der Kinostart anvisiert.
Vielleicht wird sein Film dazu beitragen können, dass man sich in Deutschland noch einmal verstärkt mit Bunke beschäftigt. Sie hat es verdient, findet Oliver Rump natürlich. Ein Asteroid wurde nach ihr benannt. Die US-Schauspielerin Patty Hearst hatte sich eine Zeit lang Tania rufen lassen, als Hommage an Bunkes Alias „Tania la Guerrillera“. „Es gibt sehr viel Musik über sie“, so Rump, „sie hat Einfluss, bis hin zur Popkultur.“
Für Konservative, so führt er fort, sei sie „eine Terroristin, die in der Fremde ein neues System errichten wollte. Für andere ist sie eine notwendige Revolutionärin gewesen, die mit dem Unrecht auf der Welt gebrochen und sich für Gleichheit, Frieden und Selbstbestimmung der Völker eingesetzt hat.“
An dieser zwiegespaltenen Rezeption Bunkes wird wahrscheinlich auch der beste Spielfilm nichts ändern können. Rump schlägt vor, dass man in ihr aber auch einfach eine „interessante Frau, die den Aufbruch wagen wollte“, sehen könne. Und das ist ein Angebot, das sich ganz unabhängig davon, wie man zu Bunke politisch stehen mag, an alle richtet.
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