: Die Freude des Schneekönigs
Die Vergangenheit scheint bewältigt und die Zukunft heißt Britpop: Robbie „Alles fit im Schritt“ Williams gab in Berlin den entspannten Entertainer, der sich auch von seinen Fans bestens unterhalten fühlte ■ Von Gerrit Bartels
Vom Teeniestar zum Rock 'n' Roller, vom Rock 'n' Roll-Clown zum Britpop-Star und immer noch und immer wieder Teeniestar: Seitdem Robbie Williams mit viel Getöse seinen Rauswurf bei Take That provozierte, hat er mehr oder minder erfolgreich versucht, an seinem Image herumzubasteln. Er hat mit Leuten wie Liam Gallagher von Oasis die Sau rausgelassen, hat Drogen genommen, Hotelzimmer zerschlagen und den großen Sex-Maxe markiert.
Und er sang und komponierte mit George Michaels „Freedom“ oder „I hope I'm old before I die“ Songs, deren Titel allein schon die Freude und Erleichterung darüber anzeigten, nicht mehr der kleine und brave Take-That-Robbie zu sein.
Von all dieser mitunter rührenden, mitunter peinlichen, mitunter sehr gut inszenierten Vergangenheitsbewältigung aber ist zum Abschluss seiner Deutschlandtour in der ausverkauften Columbiahalle nicht mehr viel zu spüren. Keine alten Take-That-Geschichten, kein „Back For Good“, das er meint zerstören zu müssen, keine heruntergelassenen Hosen, kein ungläubiges Staunen darüber, dass seine Fans auch den neuen Robbie mögen. Robbie Williams scheint mit sich im Reinen zu sein, die vielen Robbies in ihm vertragen sich gut miteinander.
Mit Krawatte und weißem Hemd, einem schwarzen Anzug und Turnschuhen kommt er zusammen mit seiner Band auf die Bühne und beginnt sein Konzert mit „Let me entertain you“. Ein Vorhaben, das er die folgenden anderthalb Stunden perfekt in die Tat umsetzt und ihm auch sichtlichen Spaß bereitet. Sind die Danksagungen an das Publikum auf Popkonzerten oft recht gelangweilt heruntergespulte Rituale, so möchte man Robbie Williams an diesem Abend wirklich glauben, dass er dieses Konzert für ein verfickt gutes hält und sich seinerseits auch von seinen Fans bestens unterhalten fühlt. Diese tun ihm auch wirklich jeden Gefallen, singen alle Songs laut mit, kreischen hier, schreien und jubeln dort, springen, wenn er dazu auffordert, und springen noch höher bei seiner zweiten Bitte, in dieser Halle möge doch bitte schön keiner mehr einfach nur rumstehen.
Und es sind natürlich vor allem viele alte Fans in der Halle, die vielen kleinen und großen Mädchen sind treu geblieben und mit ihm zusammen älter geworden. Ihre Teddybären und die Bereitschaft zu Ohnmachtsanfällen aber haben sie in ihren alten Kinderzimmern gelassen, und wenn Robbie Williams einen Song seiner zukünftigen Ehefrau widmet, wird das ganz gelassen zur Kenntnis genommen: Da muss schon ein bisschen mehr passieren. Und Robbie Williams gibt ihnen, was sie zu sehen und zu hören wünschen, greift sich immer mal wieder zwischen die Beine, eher beiläufig als obszön, und fragt dann auf Deutsch „Alles fit im Schritt?“, um sich darüber wie ein Schneekönig zu freuen. Selbst die alten Tanzschritte, die Williams jahrelang bei Take That einstudieren musste, hat er noch drauf. Die sind ihm in Fleisch und Blut übergegangen, die bekommt er auch durch die angedeuteten kräftigen Linksschüsse, mit denen er viele Songs abschließt, nicht weg.
Doch das alles zusammen passt eigentlich gut in sein Programm – Williams ist Entertainer, böser Junge, Lad und alter Boygroup-Recke zugleich, und nur die vielen Coverversionen lassen spüren, dass sich da einer noch nicht ganz sicher ist und mit aller Macht versucht, sich in eine Reihe mit den britischen Popgrößen zu stellen: „Hey Jude“ gehört zu den Standards von Williams' Shows, und seine beiden Hits „Angels“, ein Song, den das Publikum fast allein singt, und „Millennium“, der letzte Song des Konzerts, bettet er an diesem Abend zwischen drei Coverversionen von Clash („Should I Stay Or Should I Go“), Blur („Song 2“) und Oasis („Wonderwall“).
Da will er hin, so groß, berühmt und ein Klassiker will er werden. Zumindest was die Selbstinszenierung als Drifter zwischen Vergangenheit und Gegenwart betrifft, hat er schon ein gutes Stück Weg zurückgelegt. Und was die Zukunft bringt, wird sich zeigen: Manchmal stirbt schließlich ein Popstar schon in jungen Jahren und wird dann erst unsterblich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen