Die Folgen der Abwrackprämie: Autos sind nun wirklich Schrott
Nach Benin wurden 2008 mehr als 20.000 deutsche Altwagen exportiert. 2009 dürften es viel weniger sein. Der staatliche Verschrottungszuschlag kappt den Nachschub.
BERLIN taz | Die Abwrackprämie hat das Geschäft mit den Altautos ruiniert und die Auslieferungen nach Westafrika gebremst. Etliche Gebrauchtwagenhändler mussten in den vergangenen Monaten ihre Gewerbe abmelden. Besonders auf den großen Autoverkaufsplätzen in Städten wie Berlin, Hamburg oder Hannover wachsen die leeren Flächen.
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In der Hauptstadt wird das Altautogeschäft von Händlern aus dem Libanon bestimmt. Sie beklagen, dass die Wagen in ihrem Segment nun fast alle in der Schrottpresse landen. Mohamad Ali hat sein Gewerbe, den „Rixdorfer Autohandel“, Ende April aufgegeben. Er sagte der taz-Wochenendausgabe sonntaz, für weniger als 2.500 Euro sei kaum mehr ein Auto zu bekommen. 20 Kollegen in seiner unmittelbaren Nähe haben ebenfalls aufgehört.
Auch in Hamburg, von wo aus viele der alten Wagen nach Westafrika verschifft werden, sind die Einbrüche zu spüren. Die Gesellschaft Unikai, die dort den wichtigsten Auto-Kai betreibt, will den Rückgang nur vage beziffern. Statt 5.000 bis 6.000 würden nur noch 3.000 bis 4.000 Gebrauchtwagen verschifft. „Deutschland lässt stark nach“, heißt es beim Reeder Abou Merhi. Aber 70 Prozent seiner Wagen kämen sowieso aus Skandinavien.
In Benin, wo mit Cotonou einer der größten Autohäfen Afrikas liegt, und auch in Freetown, in Sierra Leone, machen sich lokale Händler gerade allerdings ganz andere Sorgen. Im Hauptabnehmer-Land Nigeria ist die Währung wegen der Krise um die Hälfte eingebrochen – und damit auch die Altauto-Nachfrage. Ähnliche Schwierigkeiten stellen Berliner Händler auf dem osteuropäischen Markt fest, seitdem im Herbst nicht nur der polnische Sloty stark nachgegeben hat.
Bisher sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle über 1,4 Millionen Anträge für die Abwrackprämie eingegangen. Für die alten Wagen stellen die Verwerter einen Nachweis aus, der bestätigt dass das Auto nun wirklich Schrott ist. Seit März müssen Antragsteller ihren entwerteten Fahrzeugbrief einreichen. Wie in den vergangenen Wochen bekannt wurde, sind manche der angeblich verschrotteten Pkws allerdings trotzdem nach Hamburg und Bremen gelangt, wo sie verschifft werden sollten – mit gefälschten Fahrzeugpapieren.
In Hamburg etwa hatten Fahnder 27 Wagen entdeckt. Eines war schon auf dem Weg nach Benin und wurde von dort wieder zurückgeholt. Der Bund der Kriminalbeamten schätzt, dass rund 500 vermeintlich abgewrackte Autos nach Afrika gelangt sind, ohne dass das bemerkt wurde. Der Zoll, teilte die Bundesfinanzdirektion Nord auf taz.de-Anfrage mit, habe „bezüglich der Thematik Abwrackprämie keinerlei Zuständigkeit“ und kontrolliert also nicht routinemäßig auf Abwrack-Betrug. Die jüngsten Fälle wurden von der Polizei aufgedeckt. Der Kontrolldruck in diesem Bereich sei gleich null, moniert der Bund der Kriminalbeamter.
„Keiner weiß, was mit diesen Autos passiert“, beklagt auch Wolfgang Lohbeck, Verkehrsexperte von Greenpeace taz.de. „Es wird einfach nicht wirklich geprüft.“ Es wäre dumm, abgewrackte Autos zu kaufen, selbst wenn die Schrottpressenbetreiber sich darauf einließen, sagte dagegen Mohamad Ali in der sonntaz, der ehemalige Händler, der sich jetzt für die verbliebenen Kollegen um die Verschiffung kümmert. „Wenn sie dich in Hamburg erwischen, ist dein ganzes Geld futsch.“
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