■ Die Finanzminister der G7-Staaten trafen sich in Berlin: Wenn Waigel nicht mehr weiterweiß
Der einstige Lehrmeister sah alt aus. Auf dem Treffen der G7-Finanzminister in Berlin stand Theo Waigel da mit schwacher Konjunktur und D-Mark und ohne jeglichen Plan gegen die Wirtschaftskrise. Die bisherigen Rezepte versagen: Die Zinsen sind ohnehin so niedrig, daß praktisch kein Spielraum mehr besteht, per Geldpolitik die Wirtschaft anzukurbeln. Die haushaltspolitische Zwangsjacke von Maastricht verhindert, daß die Regierung Geld in den Markt pumpen kann, um Jobs zu schaffen. Und obwohl die D-Mark bereits zum Wohle der Exportwirtschaft abgewertet ist, stieg die Arbeitslosigkeit auf den höchsten Stand seit 1933.
Was tun? Waigel weiß es nicht. Seine Hilflosigkeit versuchte er in Berlin mit einem Wort zu kaschieren, das er in fast jedem Satz zu gleich welchem Thema unterbrachte. Es lautet Strukturreformen.
Der IWF habe Deutschland für seine Strukturreformen gelobt, aber auch weitere Strukturreformen angemahnt. Die Arbeitslosigkeit sei mit Strukturreformen zu bezwingen. Rußland habe schon gute Fortschritte bei den Strukturreformen gemacht, Japan habe weiter Strukturreformen zugesichert, und die verschuldeten Entwicklungsländer müßten ihre Krise durch Strukturreformen lösen.
Weil Waigel keine Idee mehr hat, wie durch Konjunkturpolitik der Karren aus dem Dreck zu ziehen ist, sollen langfristige, strukturelle Änderungen her. Nun hat unsere Regierung ein Problem. Als konservative Partei steht die CDU/CSU in der Pflicht, konservativ zu sein. Weiter so, heißt das Programm, jedenfalls für die eigene Klientel. Strukturreformen, zumindest wenn sie wehtun, treffen nur die sozial Schwächsten. Strukturreform, das bedeutet für Waigel und Kollegen Lohnverzicht, Steuerentlastung für Reiche, Abbau des Sozialstaats und neuerdings Aufkündigung des Generationenvertrags. Nicht zufällig wird die Rente Thema des nächsten Weltwirtschaftsgipfels der G7. Von notwendigen Reformen wie einer verstärkten Bildungspolitik, Förderung von Umwelttechnologien oder einer ökologischen Steuerreform ist da natürlich keine Rede. Wahrscheinlich haben die Autonomen, die zur Demo gegen die G7 aufriefen, doch recht: Die Politik der G7 ziele nur darauf, „die Ausplünderung von Mensch und Natur voranzutreiben“. Nicola Liebert
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