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■ Die Europäische Union wird in der CDU/CSU immer strittigerWofür brauchen wir Europa?

Es ist noch keine zehn Jahre her, da hieß die offizielle Formulierung: Wenn die deutsche Einheit kommt, dann mit der Einheit Europas. Als die deutsche Einheit dann doch früher zu haben war, mußte Kohl nicht nur mit Gorbatschow im Kaukasus spazierengehen, sondern auch seinen westeuropäischen Partnern erklären, wie es denn aus gesamtdeutscher Sicht mit Europa weitergehen soll. Damit es nicht nur bei verbalen Beruhigungspillen bleibt, wurde ein konkretes Projekt vereinbart: die Europäische Währungsunion. Die Währungsunion soll eine doppelte Funktion haben. Sie soll die deutschen Nachbarländer davor schützen, daß, aufgrund der Dominanz der D-Mark in Europa, Entscheidungen der Bundesbank die Wirtschaftspolitik der europäischen Partner gleich mitbestimmt, und sie soll die Entwicklung zu einer Europäischen Union als politisches Subjekt unumkehrbar machen. Das schließt selbstverständlich die sukzessive Souveränitätsabgabe auch in staatlichen Kernbereichen wie Außen- und Verteidigungspolitik mit ein.

Solange es darum ging, die Ex-DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes einzuverleiben, war das alles kein Thema. Heute ist dem nationalistischen Teil innerhalb der Union der Preis der Einheit offenbar längst zu hoch. „Die D-Mark ist keine Morgengabe für die Integration Europas“ und „die Währungsunion war niemals als Vehikel für die politische Union Europas gedacht“, behauptete Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber gestern in einem SZ- Interview. Ja, was denn sonst? Es gibt in Deutschland zur Zeit quer durch die Parteien drei Strömungen in der Euro-Debatte: Diejenigen, die Europa aus den verschiedensten Motiven wollen und deshalb auch die Währungsunion zum geplanten Zeitpunkt nicht in Frage stellen, diejenigen, die aus wirtschaftspolitischen Erwägungen für eine Verschiebung der Währungsunion plädieren und diejenigen, die die Sorge um das Europageld vorschieben, um das Projekt Europa zu erledigen.

Der wichtigste Exponent des dritten Lagers ist Stoiber. Mit der Wiedervereinigung ist die kriegsbedingte Sonderrolle der beiden Deutschlands beendet und der Status quo ante wiederhergestellt. Die Scham ist vorbei, wir brauchen uns nicht länger in Europa zu verstecken. Stoiber spricht aus, was viele in der Union denken und sich unter Kohls Regentschaft nur nicht zu sagen trauen. Daß Kohl unbedingt am Fahrplan von Maastricht festhalten will, zeigt seine Angst vor den eigenen Erben. Jürgen Gottschlich

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