Die Ermittlungen gegen Helmut Kohl sind zu eng gefasst: Untreue und mehr
Die Staatsanwaltschaft hat 15 Strafanzeigen, die bisher gegen Helmut Kohl erstattet wurden, beiseite gewischt und einen Straftatbestand herausgegriffen: die mögliche Untreue gegenüber dem Vermögen der CDU. Doch dies stellt weder den wichtigsten noch den vollständigen Verdacht dar, der sich auf Grund der bisher bekannt gewordenen Fakten zum „System Kohl“ ergibt. Laut dem Ex-Bundeskanzler haben die Spender der in den Rechenschaftsberichten nicht verbuchten „1,5 bis 2 Millionen DM“ auf Anonymität bestanden. Wenn sie nach Mafiaart erst nach Abgabe des „Ehrenworts“ gespendet haben, sind weitere Straftaten möglich: etwa Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Bestechung.
Heimliche Zahlungen können und sollen erfahrungsgemäß Politiker abhängig machen und zu bestimmten Entscheidungen drängen bzw. befähigen. An wen Kohl die Zahlungen weitergeleitet hat, wie sie verwendet wurden – dazu legte der Pate keine Unterlagen vor. Es kann sich strafrechtlich um Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung handeln. Dasselbe gilt für die Gelder, die Kohl aus anderen schwarzen Kassen an einzelne CDU-Landesverbände und CDU-Gliederungen geleitet hat. Kohl hat die jahrelange Existenz schwarzer Konten zugegeben. Wirtschaftsprüfer Weyrauch hat sie im Auftrag und auf Anweisung Kohls geführt. Das Kürzel „PV“ bedeutete Parteivorsitzender. Weyrauch war im Auftrag der Bundes-CDU teilweise wöchentlich in der Schweiz. Kohl eilte im Sommer 1997 persönlich zu Dr. Batliner, dem größten Stiftungstreuhänder in der Finanzoase Liechtenstein. Dies geschah, nachdem gegen den Finanzberater Kohls, Dresdner Bank-Chef Wolfgang Röller, wegen der Stiftung „Gallumena“ Ermittlungen aufgenommen wurden – die 2,3 Millionen der Gallumena werden von Batliner verwaltet.
Liechtensteiner Briefkastenfirmen und Stiftungen spielen für die Finanzen der CDU seit Beginn der Bundesrepublik eine Rolle, Kohl wurde dazu im Flick-Ausschuss befragt. Der Verdacht auf Beihilfe zur Geldwäsche liegt nahe. Es gibt keinen juristischen Grund, warum sich die Staatsanwaltschaft auf den Verdacht der Untreue beschränkt. Die Beschränkung würde ausblenden, was im Interesse der Demokratie vor allem aufgeklärt und geahndet werden muss: tatsächlicher Umfang der Spenden, Zahlungswege und Mitwisser, Spender und Empfänger, beeinflusste Entscheidungen. Werner Rügemer
Freier Publizist in Köln und Mitglied des Antikorruption-Verbandes Business Crime Control
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen