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Die Einheit, der Kanzler, das Buch

Für zwei „Bild“-Journalisten öffnete Helmut Kohl Aktenschränke und sein Herz. Eine festliche Buchvorstellung über seine Sicht der Dinge im „Haus der Geschichte“. Und Andersdenkende fehlten  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Der Festsaal ist überfüllt, dennoch bleibt man unter sich, als Helmut Kohl in Bonn sich ein Denkmal aus Papier setzen läßt. Der Kanzler nimmt zwischen seiner Frau Hannelore und dem Festredner, Bayerns langjährigem Kultusminister Hans Maier, Platz. Bundespräsident Roman Herzog, Finanzminister Theo Waigel, Otto Graf Lambsdorff und Alfred Dregger sind in das „Haus der Geschichte“ gekommen, denn der Propyläen Verlag präsentiert die Neuerscheinung: „Helmut Kohl: Ich wollte Deutschlands Einheit“.

Der Kanzler hat das Buch der beiden Bild-Journalisten Kai Diekmann und Ralf Georg Reuth authorisiert. Damit authorisierte er noch während seiner Amtszeit, seine Sichtweise der Jahre 1989/90.

Vor diesem Hintergrund ist es interessanter zu notieren, wer fehlte, als zu melden, wer dabeigewesen ist: Der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher und der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel sollen abgesagt haben. Und Egon Bahr, langjähriger Vordenker der deutschen Ostpolitik, soll nicht einmal auf der Gästeliste gestanden haben.

Wer Helmut Kohls Bild von der Geschichte nicht teilt, den braucht der Kanzler der Einheit nicht. Kein einziges prominentes Gesicht aus den Reihen der Opposition ist im „Haus der Geschichte“ zu sehen. Hoffähig, immerhin, und auf einem der hinteren Plätze: das Ex- SPD-Mitglied Brigitte Seebacher- Brandt, Witwe.

Willy Brandt, der frühere Kanzler, kommt im Buch vor. Kohl schildert eine letzte Begegnung, unmittelbar vor seinem Tod: „Gemeinsam tranken wir eine Flasche Wein und führten ein letztes, intensives Gespräch.“ Worüber? Darüber erfahren wir nichts. Nur soviel: „Als ich mich verabschiedete, hielt er immer noch den Herbstblumenstrauß in der Hand, den ich mitgebracht hatte.“ Das Gegenüber als Resonanzboden für die Selbstdarstellung.

Immerhin: Jetzt wissen wir endlich, wie's wirklich war, damals mit der deutschen Einheit. Oder doch nicht? Das letzte Wort ist mit diesem Buch noch nicht gesprochen, auch wenn es vom Bundeskanzler kommt. Vor ihm haben bereits andere wichtige Akteure dieser Jahre ihre Erinnerungen vorgelegt: George Bush, Michail Gorbatschow, Margret Thatcher und Hans-Dietrich Genscher. Der erinnert sich an manches anders als Helmut Kohl.

Es geht aber nicht nur um die Fakten. Geschichtsdarstellung ist auch immer Interpretation. „Niemals“, so erinnert sich Kohl, habe er einen EG-Gipfel „in so eisiger Atmosphäre“ miterlebt wie den im Dezember 1989. Kurz zuvor hatte er im Bundestag sein Zehn-Punkte- Programm für die künftige Zusammenarbeit mit der DDR vorgestellt, das als Ziel die deutsche Einheit hatte. Besonders kühl sei die britische Premierministerin Margret Thatcher gewesen: „Es wollte ihr einfach nicht in den Kopf, daß Deutschland am Ende dieses Jahrhunderts, in dem es in zwei Weltkriegen besiegt worden war, als der große Gewinner dastehen sollte.“

Hans-Dietrich Genscher erinnert sich im Zusammenhang mit der Zehn-Punkte-Erklärung, daß sie „nicht mit unseren wichtigsten Aliierten besprochen worden (war), deren Unterstützung wir in den nächsten Wochen dringend brauchen würden.“ Dies läßt Raum für unterschiedliche Einschätzungen. Die Historiker können aus dem Kohl-Buch viel Honig saugen, denn den Verfassern hat der Kanzler unveröffentlichte Quellen zugänglich gemacht.

Hans Maier verglich in seiner Festrede die Bild-Journalisten mit Eckermann, Goethes treuem Begleiter und Chronisten. Der Kanzler nun eine deutsche Geistesgröße von goethischem Rang? Der Himmel ist die Grenze.

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