Die EU-Kommission und der Green Deal: Grün, grüner, Industrie
Die EU-Kommission hat einen Entwurf für eine neue Industriestrategie vorgelegt. Es geht um Wettbewerb, Digitalisierung und Klimaschutz.
Um die neue Strategie war bis zuletzt heftig gerungen worden. Obwohl die neue Ausrichtung auf den Green Deal im Prinzip unumstritten war, gerieten Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Binnenmarktkommissar Thierry Breton aneinander. Der Franzose Breton fordert laxere EU-Regeln, um sogenannte europäische Champions zu schaffen.
Hintergrund ist der Streit über die Fusion der Bahnunternehmen Siemens und Alstom, die am Nein von Vestager gescheitert war. Danach hatten sich Frankreich und Deutschland für eine stärkere Ausrichtung an industriepolitischen Zielen und dem internationalen Wettbewerb ausgesprochen. Die EU müsse China Paroli bieten, hieß es.
Die neue Strategie trägt dem Rechnung. Sie verspricht eine Reform der EU-Wettbewerbsregeln, einen besseren Urheberschutz und einen stärkeren Kampf gegen Wettbewerbsverzerrung durch staatliche Beihilfen. Brüssel will auch den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen und EU-Hilfen begrenzen – ein klares Signal an China.
Konkrete Maßnahmen erst später
Der Schwerpunkt der neuen Strategie liegt aber auf Dekarbonisierung und Digitalisierung. Die Kommission kündigt ein ganzes Maßnahmenpaket an. So sollen energieintensive Industrien künftig klimafreundlicher produzieren. Der Verkehr soll „nachhaltig und smart“ werden. Außerdem will sich Brüssel um eine CO2-arme Energieversorgung und günstige Strompreise kümmern.
Das Ganze soll durch eine Recyclingstrategie ergänzt werden, die am Mittwoch in Brüssel vorgestellt wird. Zudem kündigt sie eine Allianz für Wasserstofftechnik an, ähnlich der bereits gestarteten Batterie-Allianz. Außerdem hat die Kommission einen Plan für kleine und mittlere Unternehmen vorgelegt. In diesen seien EU-weit rund 100 Millionen Beschäftigte tätig, direkt beschäftige die europäische Industrie 35 Millionen Menschen.
Wie das alles zusammenpasst, bleibt abzuwarten – denn eine Strategie ist noch kein Gesetz. Ähnlich wie beim Green Deal und der Digitalstrategie sollen konkrete Maßnahmen in den nächsten Monaten nachgeliefert werden. Erst dann dürfte sich zeigen, ob Brüssel nicht nur schöne Überschriften liefert, sondern auch entsprechend handelt.
Die EU-Kommission gibt sich jedenfalls entschlossen. Es gehe um einen „radikalen Wandel“ mit dem Ziel, den „grünen und digitalen Umbau zu managen und externe Abhängigkeiten zu vermeiden“, betonte Breton. Die europäische Industrie bringe alles mit, um eine Führungsrolle einzunehmen, erklärte Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Brüssel wolle dabei helfen.
Erste Reaktionen fielen positiv aus. „Der Startschuss für einen Wandel hin zur klimaneutralen Industrie in der EU ist gefallen“, freute sich der grüne Europaabgeordnete Michel Bloss. Die Unternehmen warteten auf politische Signale und den richtigen Rahmen für Investitionen. „Hierfür braucht es eine unabhängige und wissenschaftlich fundierte Aufsicht“, forderte Bloss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo