: Die Deutschen und das liebe Vieh
■ Seit fünf Jahren geht der Absatz von Rindfleisch in deutschen Landen zurück. Die Bauern sind mitschuldig
Die deutschen Bauern stöhnen. Die schlechte Nachricht aus Großbritannien wird die Lust auf Rindfleisch in Deutschland noch weiter senken, die Preise für Rindfleisch weiter in den Keller treiben und etliche Landwirte zur Aufgabe ihres Betriebes veranlassen. Schon von 1990 bis 1995 war der Rindfleischkonsum pro Kopf von fünfzehn Kilo auf elf Kilo im Jahr zurückgegangen. Angst vor Rinderwahn und die schlimmen Bilder von Schlachtviehtransporten hatten dem Absatz geschadet. Die Rindfleischpreise gingen zurück.
Dabei sind die Bauern und ihre Verbandsfunktionäre zum Teil selber schuld. Seit Jahren drängen Verbraucherverbände zu mehr Transparenz beim Einkauf von Lebensmitteln. Der Kunde oder die Kundin beim Fleischer sollen wissen, von welchem Landwirt das Fleisch stammt, das in der Pfanne brutzeln soll, vielleicht sogar noch, um welches Tier es sich gehandelt hat.
Doch eben dieses ist im europäischen Agrarmarkt bislang in der Regel nicht möglich. Zwar haben regional Rinderzüchter und Metzgereien neue Modelle ausprobiert, bei denen das Fleisch an der Theke der einzelnen Metzgerei einem Tier und einem Landwirt zugeordnet wird. Idealerweise hält der Bauer sogar per Foto sein Gesicht für sein Produkt hin und nennt seine Adresse.
Roastbeef-Liebhaber: Rindvieh selbst aussuchen!
Doch die großen Schlachtbetriebe können nicht die Herkunft jeden Tieres überprüfen. Wenn heute jeder größere Supermarkt ein Schild neben seine Fleischtheke hängt, mit dem die Geschäftsführung verspricht, daß das Fleisch, das verkauft wird, aus der Region stammt, bleiben Zweifel. Noch im Sommer 1994 war der Deutsche Fleischerverband in einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, daß ein derartiges Versprechen vorläufig nicht möglich sei.
Selbst wenn die Herkunft des Fleisches an der Theke nachprüfbar wäre – nicht erfaßt von der Garantie bleiben weiterhin italienische, ungarische, französische, polnische und andere Delikatessen, die im Wurstregal und in den Kühltruhen auf den Kunden warten.
Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich um ihre Gesundheit sorgen, bleibt vorläufig nur, auf Delikatessen unklarer Herkunft zu verzichten. Und unerschütterliche Roastbeef-Liebhaber können sich schützen, indem sie sich in Zeiten großer Kühltruhen beim (Öko-)Bauern selbst das Rind oder den Bullen zum abendlichen Verzehr aussuchen – vielleicht kaufen Nachbarn und Kolleginnen einem ja die andere Hälfte ab. Anschließend gilt es, das Rindvieh beim Fleischer des Vertrauens zerlegen zu lassen. Und dann, Mahlzeit! Hermann-Josef Tenhagen, Berlin
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