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Die Choreografin Sasha WaltzDie Marke Tanz verspielt

Berlin ist stolz auf die Tanzcompagnie von Sasha Waltz, die vor zwanzig Jahren hier gegründet wurde. Doch ihr Verbleib in der Stadt ist unsicher.

Die Chefin der Tanzcompagnie Sasha Waltz & Guest ist keine Frau der lauten Gesten. Bild: Andre Rival

Am letzten Wochenende schien noch alles gut. Da führte die Tanzcompagnie Sasha Waltz & Guests „Matsukaze“ im Schillertheater auf, eine Koproduktion mit der Berliner Staatsoper und drei weiteren Musiktheatern in Brüssel, Warschau und Luxemburg. Die Karten für die Gespensteroper des japanischen Komponisten Toshio Hosokawa waren schnell weg, Waltz’ Inszenierung versprach ein großes sinnliches Vergnügen. Tänzer und Sänger winden sich durch ein Dickicht von Seilen wie durch einen finsteren Wald, unheimlich und romantisch zugleich ist ihre Klage um eine verlorene Liebe.

Freuen konnte man sich auch, weil die Staatsoper Berlin im Oktober ein weiteres Projekt zusammen mit Sasha Waltz herausbringen will, eine Fassung des hundertjährigen Balletts „Le Sacre du Printemps“ von Strawinsky in großer Besetzung. Zuvor ist die Choreografin vom Marinsky Theater in Petersburg eingeladen, mit der dortigen Compagnie tief in die Ballettgeschichte einzutauchen und das 100-jährige Werk zu inszenieren.

Am Dienstag aber kam der Paukenschlag, der die Vorstellung, die international gefragte Choreografin sei Berlin sicher, wieder zerstörte. Sasha Waltz verschickte eine Pressemitteilung, dass sie nach zwei Jahre währenden Gesprächen mit der Berliner Kulturverwaltung keine Perspektive mehr in Berlin sieht. In Gesprächen will sie nun sondieren, einen besseren Standort für ihre Compagnie zu finden.

Kulturverwaltung reagiert erschrocken

Zwar weiß der Senat, wie der Staatssekretär für Kultur, André Schmitz, kurz darauf in einer etwas erschreckten, aber kaum beruhigenden Pressemitteilung bestätigte, von den strukturellen Problemen der Compagnie, sieht sich aber angesichts des Haushalts nicht in der Lage, ihre Förderung zu erhöhen. Obwohl Schmitz schrieb, dass die Senatskulturverwaltung „Sasha Waltz in Berlin halten will“, bestätigte er die Absage nach mehr Geld als den 1,85 Millionen Euro jährlich, die Waltz Compagnie aus einem eigenen Haushaltstitel und einer Regelförderung durch den Hauptstadtkulturfonds erhält.

Nun ist es nicht einfach zu begreifen, worin die strukturellen Probleme liegen, die Sasha Waltz, die dieses Jahr das zwanzigjährige Bestehen ihrer Compagnie in Berlin feiern kann, so bedrängen, dass sie öffentlich mit ihrem Weggang droht. Sie ist keine Frau der lauten Gesten oder mangelnder Verhandlungsbereitschaft. Die zermürbende Sorge um die Möglichkeiten ihrer Compagnie, die Enttäuschung über ausbleibende Perspektiven müssen vor so einem Schritt schon sehr an ihr genagt haben.

Der jährliche Etat der Compagnie umfasst ungefähr 4 Millionen Euro; die Hälfte davon erwirtschaften sie durch Koproduktionen und Gastpiele – und finanzieren damit auch ihre Auftritte in Berlin, etwa im Radialsystem. Die Produktionen von Sasha Waltz sind zwar meistens finanziert; die Förderung durch Berlin deckt die Fixkosten für das Personal. Die Wiederaufführungen aber, die die Stücke einem weitern Publikum zugänglich machen, oft mit Orchestern und zusätzlichen Gasttänzern, kosten jeweils mehr, als die Einnahmen einbringen.

Die große Bewegung ist ihre Stärke

Nun könnte man fragen, warum die Choreografin nicht weniger aufwendige Stücke plant. Das Dilemma resultiert auch aus ihrem Erfolg, ihre Produktionspartner wollen von ihr gerade die Stücke für große Compagnien, in deren Bewegungsbildern liegt eine ihrer Stärken ebenso wie in der Zusammenarbeit mit den Musikern auf der Bühne. Keiner ihrer Partner will von ihr günstige Kammerspiele.

Das andere Problem ist das fehlende Haus. Auch Sasha Waltz muss das Radialsystem mieten, wenn sie dort auftreten will – das wird oft übersehen, weil ihr Mann Jochen Sandig dort einer der beiden Geschäftsführer ist.

Sasha Waltz hat den zeitgenössischen Tanz in Berlin zu einer eigenen Marke der Kultur gemacht. Nicht nur mit ihren eigenen Stücken, sondern auch als Mitbegründerin der Sophiensæle. Mit diesem Pfund zu wuchern, das wäre die Aufgabe der Kulturpolitik in Berlin gewesen. Waltz’ Förderung ist aus Fördermitteln der Freien Szene erwachsen und teilweise dort noch verankert – aber sie hätte, ähnlich wie Forsythe in Frankfurt und Dresden oder Pina Bausch in Wuppertal, längst ein eigenes Haus und eine institutionelle Förderung verdient.

Der Imageverlust, die Schlappe für die Berliner Kulturpolitik, sie nicht hier gehalten zu haben, wäre enorm, wenn sie wirklich in eine andere Stadt zieht. Und die Tanzliebhaber würden weinen. Und vielleicht, ähnlich wie die beiden Schwestern in der Oper „Matsukaze“, aus unerfüllter Liebe zu Gespenstern werden, die nachts den Berliner Kultursenator und Bürgermeister Klaus Wowereit heimsuchen.

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12 Kommentare

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  • TL
    Tim Leuther

    @Alfred Dubel

    Doch es hat mit der Kultur zu tun. Es sind beides Haushaltsposten. Man kann vom einen Posten in den anderen verschieben.

     

    Vielleicht trinken Ihre Linken auch nur zu viel Wein und kümmern sich um Theorien, statt um Menschen. Das jemand wie Gisy gerne in die Oper geht, glaub ich ihm. Dann soll er es aber selber bezahlen.

  • AD
    Alfred Dubel

    Auweia! Die Kommentare hier machen klar, warum die taz in weiten Teilen der Linken nur noch als Kinder-FAZ bezeichnet wird.

    Wie hier marktradikale Phrasen (Künstler sollen denken wie "Unternehmer", also ökonomisch statt kulturell) gedroschen werden ist schon peinlich.

    Außerdem: Dass Geld das für Bildung fehlt (Das Problem hierbei ist Lehrerbildung, nicht Schulfinanzen - aber das ist ein anderes Thema), hat nichts mit Kulturförderung zu tun. Das eine gegen das andere auszuspielen ist dumm und unproduktiv.

     

    Schließlich: Kultur und Kunst sind nicht dazu da, ökonomischen Mehrwert zu produzieren. Punkt. Und das sollten sie auch nicht sein. Ohne staatliche Subventionen gäbe es kein Theater mehr, keine Oper, kein nichts. Es blieben den Deutschen (und ebenso der Jugend, um deren Bildung man sich so sorgt) Arbeit und Privatfernsehen.

  • T
    taptap

    @blindtext:

     

    Das ganze Thema Waltz/Sandig/Radialsystem ist umso trauriger, weil Sandig noch vor ein paar Jahren großspurig verkündete weitestgehend auf öffentliche Gelder zu verzichten und private Förderer finden möchte.

     

    Kann man hier nachhören:

    http://www.entrepreneurship.de/artikel/jochen-sandig-mit-dem-radialsystem-in-berlin-ein-neues-kuenstlerisches-konzept-schaffen/

     

    Heute veröffentlicht er Petitionen, um mehr Gelder der Stadt zu bekommen: https://www.openpetition.de/petition/online/koalition-der-freien-szene-offener-brief-an-die-stadt-berlin

  • TL
    Tim Leuther

    @alcibiades

     

    Wenn ich mir das Kulturbudgets Berlins anschaue dann kann nicht von einer Unterfinanzierung die Rede sein. Berlin Pumpt in Theater und Opern über 50% mehr als Hamburg. Pro Einwohner. Nur die Landesebene. Und das obwohl Hamburg ungleich reicher ist als Berlin.

  • B
    blinddext

    erpressung von fördergeldern ist genau die rcihtige formulierung. seit jahren schon sitzen waltz und ihr firmenkonstrukt mit offener hand an allen kulturtöpfen von land, stadt etc. das ist zwar gute lobbyarbeit die da gemacht wird, aber wenn ich mir den gerade mit viel pompom angekündigten pop-topf mit einer millionen etat ansehe, dem nach abzug der gehälter (?), mieten etc. gerade mal 700.000 übrig bleiben, dann stellt sich mir schon die frage worum es hier eigentlich geht bei dem ganzen gejammer von frau waltz und jochen sandig. sie haben viel für die marke tanz getan in der stadt, aber es reicht auch irgendwann. von mir aus kann sie gehen. dann werden die gelder endlich wieder frei für andere projekte. rau waltz ist nämlich nicht die einzige, die etwas von tanz versteht.

  • A
    alcibiades

    Ihr versteht da was falsch. Wo steht im Wowereit'schen Diktum "arm aber sexy" was davon, die Kultur hochzuhalten? Das Geld wird dringend gebraucht, um sinnlose "Infrastruktur"-Projekte zu finanzieren.

     

    Meine Idee: Rotes Rathaus leerräumen, Wowereit und Kollegen sollen halt von zuhause aus arbeiten, das geht schon (fragt mal die Freiberufler dieser Stadt), Rotes Rathaus wird zum Wellness- und Tagungshotel umgebaut, das dann meinetwegen Tanztheater, Opern und wasweissich mitfinanziert.

     

    Im Übrigen sollten die werten Mitkommentatoren nicht so neidisch sein. Nur weil ihr euch nicht für eine Kulturform interessiert, ist sie noch lange nicht minderwertig oder überflüssig. Eigentlich wollen wir doch eher wieder dahin, dass jeder mal in die Oper, zum Tanz oder einfach auch nur günstig ins Museum kommt, oder? Das macht eine Großstadt aus, nicht der angeberische Bürgermeister und seine blöde Autobahn.

  • TL
    Tim Leuther

    @Astrid

    Wieso? Kulturförderung ist in der Regel, und in diesem Fall, Elitärismus. Warum sollten taz-leser das toll finden?

  • A
    Astrid

    Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass Taz - Leser so dumme und flache Bemerkungen von sich geben, ist ja fast Bild - Zeitungston! Mir wird übel!

  • TL
    Tim Leuther

    Das Geld sollte man in die frühkindliche Bildung bildungsferner Kinder stecken.

     

    Leute die gerne Getanze anschauen, sollen einfach doppelt so viel für die Eintrittskarte zahlen, Basta!

  • M
    muxx

    Waltz sackt sozusagen per Abo regelmässig den größten Teil der Kulturfördergelder ein. Andere Kulturprojekte wären über ihren Weggang schätzungsweise erfreut.

  • A
    Andreas

    Die Stadt hat wahrlich andere Probleme als das zunkünftige Fehlen einer Tanzcompanie.

    Da geht eh nur die Geldelite hin und solche die weit mehr als den Mindeslohn verdienen.

    Schon vergessen ? BERLIN ist pleite und hängt am Tropf anderer Bundesländer !

    Also weg damit und das Geld lieber für bessere Schulen ausgeben.

  • T
    taptap

    Vielleicht sollte Waltz die Bezeichnung "Compagnie" stärker im Sinne von "Firma" verstehen und entsprechend Ausgaben und Einnahmen balancieren anstatt mehr Fördergelder zu erpressen.

     

    Wenn es woanders lukrativer ist - bitteschön.