Die CDU und die ENBW-Affäre: Todesküsse in Stuttgart
Die Mappus-Affäre sorgt in der CDU in Baden-Württemberg für Zoff: die Vergangenheit diskutieren oder in die Zukunft schauen? Und auch die Bundes-CDU hat Angst.
BERLIN/STUTTGART taz | Als einziges Mitglied der Südwest-CDU hat er aktuell keine Sorgen. „Wie sich die anderen in der CDU gerade fühlen, weiß ich nicht. Ich habe bisher mit keinem gesprochen“, sagt Uli Burchardt. „Ich fühle mich auf jeden Fall gut.“ Am vergangenen Wochenende gewann der 41-jährige CDU-Kandidat im zweiten Durchgang die Oberbürgermeisterwahl in Konstanz. Der Exmanager des Edelhändlers Manufactum hat gezeigt, dass Schwarze in einem grünem Umfeld noch Wahlen gewinnen können. Doch eins ist wichtig: Sie müssen dafür Abstand von den Clans der Baden-Württemberg-CDU halten.
Vier Tage vor Burchardts Wahltriumph hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft bekannt gegeben, wegen des Verdachts der Untreue gegen den abgewählten Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) zu ermitteln. Er soll für Aktien des Energiekonzerns EnBW zum Schaden des Landes deutlich zu viel gezahlt haben.
All dies konnte Burchardt erfolgreich auf Distanz halten. „Ich bin nicht als CDU-Kandidat angetreten.“ Auf seine Unabhängigkeit habe er viel Wert gelegt. „Damit war das für mich kein Thema. Darauf bin ich auch nie angesprochen worden.“ Auch jetzt wird er sich weiter fernhalten. Zumindest plant Burchardt nicht, am Samstag zum Landesparteitag in Karlsruhe zu gehen – aus zeitlichen Gründen. Trotzdem würde er sich etwas wünschen. „Ich finde es wichtig“, sagt Burchardt, „dass die CDU diesen Prozess offen angeht, Fehler analysiert und für die Zukunft Konsequenzen daraus zieht.“
Doch ob es eine offene Selbstkritik wirklich geben wird, ist unklar. Derzeit ringen zwei Lager miteinander darüber, wie mit der Affäre Mappus umzugehen ist. Es sind im Südwesten altbekannte Cliquen: auf der einen Seite die Anhänger des ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel samt seinem Zögling Mappus. Zu diesem Flügel gehört etwa der Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Volker Kauder. Auf der anderen stehen die Anhänger des heutigen EU-Kommissars Günther Oettinger, der nach Teufel Regierungschef war.
Ein Gefährte Oettingers ist Peter Hauk. Er ist Fraktionschef im Landtag und war dies schon zu Mappus-Zeiten. Zusammen mit Landeschef Thomas Strobl – unter Mappus Generalsekretär – hat er Mappus zuletzt nicht nur hart attackiert, sondern war zugleich bemüht, sich so weit wie möglich von ihm zu distanzieren. Er bezeichnete Mappus als Autokraten und sagte, es sei scheinheilig, „Geschlossenheit zu demonstrieren, wo keine ist“.
Es könnte bizarre Szenen auf dem Parteitag geben
Auch Landeschef Strobl sagte vor dem Parteitag: „Wir müssen die Fehler der Vergangenheit offen ansprechen und uns einer ehrlichen Diskussion stellen.“ Es werde nichts unter den Teppich gekehrt. Manche Christdemokraten befürchten deshalb, dass es am Samstag zu bizarren Szenen kommen könnte: Erst könnte Strobl Selbstkritik üben, dann könnte Volker Kauder Mappus verteidigen. Denn beide Redner, das sieht die Parteitagsregie vor, folgen direkt aufeinander.
Kauder und andere Mappus-Verteidiger wollen das Thema lieber kleinhalten und fordern ein geschlossenes Auftreten. Der Landesverband dürfe sich keine rückwärtsgewandte Diskussion aufdrängen lassen, riet Kauder Anfang der Woche. Er lobte Mappus, der als Ministerpräsident „eine Reihe wichtiger Entscheidungen vorangebracht“ habe. Lieber den Blick nach vorne richten als alte, schmutzige Wäsche waschen, lautete Kauders Botschaft. Mappus und der mächtige Unions-Fraktionschef können gut miteinander. Kauder hatte sich persönlich vor zwei Jahren dafür starkgemacht, dass der andere auf Oettingers Posten nachrückt – und ist Patenonkel von Mappus’ ältestem Sohn.
In der Bundes-CDU treibt nun manche Strategen die Sorge um, Mappus delikate Amtsführung könnte auch der gesamten Partei und dem 2013 beginnenden Bundestagswahlkampf schaden. Als einer der Ersten formulierte diese Befürchtung ausgerechnet Günther Oettinger. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Mappus und der Schadenersatzprozess könnten „weit in das Jahr 2013 hineinreichen“, sagte er dem Spiegel. Neue peinliche Enthüllungen könnten die eigene Wählerschaft verprellen – in einem Teil der Republik, der für die CDU jahrzehntelang eine unangreifbare Bastion war.
Hinzu kommt, dass auch andere starke Landesverbände schwächeln. Auch Nordrhein-Westfalens CDU muss sich erst mal von dem Wahldesaster erholen, das sie unter Norbert Röttgen erlitt. Ein Vorstandsmitglied sagt mit Blick auf 2013: „Der Zustand unserer Landesverbände bereitet mir große Sorgen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt