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Die Auktion war ein Flop

■ Magistratsverwaltung: Verkauf des Mietshauses Kollwitzstraße 52 war nicht genehmigt/ Es gibt jüdische Besitzer, das Haus wurde 1937 »arisiert«

Berlin. Die Mieter des ersten öffentlich versteigerten Mietshauses in Ost-Berlin, Kollwitzstraße 52, haben mit dem Käufer erste Gespräche geführt und hoffen auf maßvolle Mietsteigerungen. Die Zinsen für den Kaufpreis (1.050.000 DM) wird der Hamburger Künstler Klaus Schmidt aber auch aus verdreifachten Mieteinnahmen nicht finanzieren können; die 14.000 DM, die die Kommunale Wohnungsbauverwaltung jährlich kassierte, deckten kaum die Betriebskosten. Die Dachetage, die einen einzigartigen Blick über den Prenzlauer Berg bietet, scheint den Künstler auf der Suche nach einem Atelier bestochen zu haben...

Für die Abteilung für Finanzen der Magistratsverwaltung ist die erste Auktion unter Polizeischutz (die taz berichtete) allerdings keineswegs zu Ende, man hält die Versteigerung für einen Flop und rechnet mit einer Rückabwicklung. Ein Verkauf hätte vorausgesetzt, daß die Zwangsverwaltung über das Haus aufgehoben wird. Seit 1952, als die Besitzer F., deren Erben jetzt versteigern ließen, nach West-Berlin gingen, steht das Haus Kollwitzstraße 52 unter Zwangsverwaltung der KVW. Um den — nach alten DDR-Vorstellungen ins feindliche Ausland geflüchteten — Besitzern die freie Verfügung über ihr Eigentum zu nehmen, verbieten die Verordnungen über Zwangsverwaltung einen Verkauf. Es ist deshalb für einen Verkauf erforderlich, die Zwangsverwaltung aufzuheben. Die KVW-Nachfolge- GmbH »Wohnen im Prenzlauer Berg« (WiP) erfuhr von der Versteigerung aus der Zeitung. Sie verwaltet das Haus nach wie vor und kassiert die Mieten.

Für einen Verkauf muß zudem der Magistrat eine Genehmigung geben, die eine Klärung anderweitiger Besitzansprüche voraussetzt. Der zuständige Sachbearbeiter hat sogar ausdrücklich davon abgeraten, eine solche Genehmigung zu geben — das Haus ist 1937 »arisiert« worden, und wenn sich bis zum 31.3.91 die jüdischen Vorbesitzer melden, ist das Haus laut Einigungsvertrag ihres. Immobilienmakler Plettner hat sich in einer Klausel im Verkaufsvertrag abgesichert, dort steht der Vorbehalt mit Hinweis auf den 31.3.91. Plettner hat den Namen der früheren Besitzer des Hauses sogar auf der Auktion öffentlich genannt — und dennoch das Haus im Auftrag der späteren, deutschen Besitzer verkauft. »Ein anständiger Auktionator hätte so was nicht machen dürfen«, sagt ein Mitarbeiter der Abteilung Finanzen gegenüber der taz. »Der Käufer wird niemals Eigentümer des Hauses werden.« Denn die früheren Besitzer sind nicht spurlos verschwunden — das Lastenausgleichsamt hat nach dem Ende des Nationalsozialismus Zahlungen für das Haus getätigt. Klaus Wolschner

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