Die Auflehnung von Lenz im TV: Faster, Kormoran! Kill! Kill!
Manfred Stelzer versucht sich an der TV-Umsetzung des 400-Seiten-Romans "Die Auflehnung" und scheitert trotz großartiger Schauspieler (20.15 Uhr, ARD)
BERLIN taz | Mit einem saftigen Klatschen schlägt der ungeliebte Gast auf der Wasseroberfläche auf. Dem Weiterleben des schwarz gefiederten Vogels wurde ein jähes Ende bereitet. "Wenn uns der Kormoran hier findet, Junge, dann wird es ernst", hatten sie ihm ans Herz gelegt. Für den Fischzüchter Frank Wittmann hat mit der Ankunft des Kormorans der Kampf um die eigene Existenz, das Auflehnen begonnen - Artenschutzgesetze hin oder her.
"Die Auflehnung" von Siegfried Lenz ist die Geschichte zweier Brüder, die sich zum Ausklang ihres beruflichen Daseins beide scheinbar unbezwingbaren Gegnern gegenübersehen und quasi zum letzten Gefecht antreten. Frank gegen die seine Fischzucht bedrohenden Kormorane und Bruder Willy, der Tee-Tester, gegen seinen plötzlich nachlassenden Geschmackssinn. Zugleich schafft Lenz ein vielschichtiges Portrait eines ländlichen Familienbetriebs, einer dörflichen Struktur vor nicht allzu langer Zeit, meilenweit entfernt vom Treiben der Großstadt.
Unter der Regie von Manfred Stelzer wird nun der über 400-seitige Roman in einen 90-Minuten-Film gepresst. Stelzer und Drehbuchautor Lothar Kurzawa stellen die Geschichte der beiden Brüder in den Vordergrund. Frank, gelungen besetzt mit dem "Großstadtrevier"-Helden Jan Fedder, füllt mit nordischer Schroffheit die Rolle des hart arbeitenden Familienoberhaupts optimal aus und behauptet sich gegen alle Widersacher - egal ob es um Banken, ungeliebte Nachbarn oder die Polizei geht.
Auf der anderen Seite steht er stille und eigensinnige Willy (André M. Hennicke), der auf seiner (Geschmacks-)Sinnsuche über den Umweg einer hoffnungslosen Schwärmerei für die junge Kellnerin Corinna seine Liebe zur Heimat und zum Familienleben auf dem Land wiederentdeckt.
Wie eben bei Romanverfilmungen so üblich, gestaltet sich auch hier die Fülle von Erzählsträngen und innerer Handlung zu schwierig: Das Ringen mit den eigenen Fähigkeiten, dem Selbstwertgefühl und der beruflichen Perspektive - all das in drei mickrigen Teetrinker-Szenen abzuhandeln, macht die Dramatik für den Zuschauer nicht unbedingt nachvollziehbar.
Auch der Kampf der Kormorane wird zwar ausführlicher dargestellt, die Verzweiflung verständlich, aber nicht emotional spürbar gemacht. Darüber kann auch der aufheiternde Sarkasmus eines Jan Fedder nicht hinwegtäuschen.
Somit verkommt das sehr eigene Verhältnis zwischen Vaterfigur und Verlangen von Willy zu Corinna zur platten Geilheit eines alten Mannes und das Porträt eines ländlichen Familienlebens zum seichten TV-Drama.
Die Auflehnung: Mittwoch, den 28.04.2010 um 20:15 Uhr im Ersten
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