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Die Angst der Führung vor den Frauen

Die chinesischen Behörden haben das Forum der regierungsunabhängigen Gruppen bei der Weltfrauenkonferenz ausquartiert: Isoliert und 50 Kilometer von Peking entfernt  ■ Aus Huairou Sheila Tefft

„Diese Konferenz wird unseren Ort verändern“, sagt ein Bewohner Huairous. „Ich bin nicht davon überzeugt, daß es besser wird.“ Was macht dieses staubige Kaff zum Veranstaltungsort für eine Frauenkonferenz mit 40.000 Aktivistinnen und Journalistinnen aus aller Welt? In Huairou, an der Straße zur Großen Mauer und zu den Minggräbern – zwei der wichtigsten Touristenattraktionen Pekings – gelegen, soll im August und September das Forum der regierungsunabhängigen Organisationen (NGO-Forum) der UN-Weltfrauenkonferenz stattfinden.

Aber Huairou hat nur eine beschränkte Hotelkapazität; es fehlen die technischen Einrichtungen für die Durchführung einer großen Tagung; und der Ort liegt relativ abgelegen, mehr als eine Stunde Fahrzeit auf verstopften Schnellstraßen vom Pekinger Zentrum entfernt.

Das Kino wird als Haupthalle für die Plenumsveranstaltungen des Forums umgebaut, obwohl nur etwa 1.700 Personen hineinpassen. Davor steht ein riesiges Schild mit roten chinesischen Zeichen: „Willkommen bei der Teilnahme an der Entwicklung und dem Aufbau Huairous.“

In der Nähe des Huairouer „Kang De Le Bodybuilding- und Entspannungscenters“ liegt eine große Baustelle, umgeben von einem Drahtzaun, auf dem ein Schild mit roten Schriftzeichen auffordert „Mit allen Kräften in 100 Tagen bereit sein, die Weltfrauenkonferenz zu begrüßen“. Hier wird ein neues sechsstöckiges Viersterne- Hotel gebaut, wo die höherrangigen Delegationen untergebracht werden sollen. Andere Delegierte werden in einfachen Hotels, Schulwohnheimen und allen möglichen weiteren Unterkünften untergebracht werden.

Der Bezirk Huairou verfügt nur über 16.000 Betten, verstreut in 100 Hotels, Wohnheimen und Wohnungen. So werden viele ausländische Delegierte mit Bussen aus Pekinger Hotels transportiert werden müssen.

Gerüchten zufolge sollen die 5.000 chinesischen Delegierten separat untergebracht werden, um ihren Kontakt mit radikalen ausländischen Gruppen zu minimieren.

Im Longshan-Hotel, das sich in der Nähe des Veranstaltungszentrums befindet, sagt eine Angestellte, das Hotel sei im März von der Verlegung des NGO-Forums informiert worden. Die offiziellen Organisatoren des NGO-Forums wurden von dem Schritt erst Anfang April per Fax in Kenntnis gesetzt.

Auf einem Sportplatz hinter dem Viersterne-Hotel soll nach den Plänen der Behörden ein stoffüberdachtes Behelfsstadion für 15.000 Personen gebaut werden, wo die täglichen Plenarsitzungen abgehalten werden sollen. Anders als in dem ursprünglich vorgesehenen Tagungsort, wo die Delegierten nach Belieben zwischen verschiedenen Aktivitäten hätten pendeln können, sind die Veranstaltungsorte in Huairou in dem ganzen Ort verstreut, mehrere Kilometer voneinander entfernt. Es scheinen fast keine Parkplätze eingeplant zu sein.

Beim Verlassen des Ortes kommt man an einem Schild vor bei, auf dem es heißt: „Hoffentlich lieben Sie Huairou“ – eine traurige Botschaft an die NGO-Delegierten, die dort gar nicht hinwollen.

Denn schon jetzt ist klar, das das NGO-Forum in Huairou so recht isoliert vor sich hinwerkeln würde. Gerade deshalb, so vermuten Kritikerinnen, hat die chinesische Regierung diesen Ort ja ausgesucht. Offiziell freilich gaben die Pekinger Behörden eine andere Begründung für die Verlegung des NGO- Forums aus dem Stadtzentrum: Der ursprünglich vorgesehene Veranstaltungsort, das Pekinger Arbeiterstadion und die dazugehörige Sporthalle (ein riesiger Komplex mit genug Platz zum Aufbau von Zelten für die voraussichtlich täglich 200 Veranstaltungen), habe „bauliche Mängel“, die bei einer kürzlichen Inspektion entdeckt worden seien. Dieses Stadion liegt nur wenige Kilometer vom zentralen Tagungszentrum entfernt, in dem die offizielle UNO-Frauenkonferenz stattfinden wird.

Es folgte ein Sturm der Entrüstung. Die chinesische Regierung wolle den Handlungsspielraum der Teilnehmerinnen beschränken, argwöhnten Kritikerinnen. Man wolle verhindern, daß es zu einem engen Zusammenwirken zwischen den beiden Konferenzen und reger Lobbyarbeit kommt, so wie das bei den letzten großen UNO-Konferenzen üblich geworden ist.

Westliche Diplomaten sagen, daß Premierminister Li Peng die Verlegung des NGO-Forums vorantrieb, nachdem er die NGO- Gruppen beim Kopenhagener UNO-Sozialgipfel in Aktion gesehen hatte. Es muß den chinesischen Politikern eine schreckliche Vision gewesen sein, tausende Frauen aus aller Welt durch die Straßen der chinesischen Hauptstadt ziehen und Menschenrechte, Verbot von Abtreibung, offenes lesbisches Leben und die Unabhängigkeit Taiwans und Tibets fordern zu sehen.

Die Veranstaltung droht zu einer von Kontroversen überschatteten Enklave zu werden, zu einer regelrechten Katastrophe in Sachen Public Relations. Der chinesische Versuch, mit der Ausrichtung der Weltfrauenkonferenz das internationale Image aufzumöbeln, scheint schon jetzt gescheitert.

„Diese Kontroverse wird den wirklichen Zweck des Treffens überlagern, die Frauenbewegung und die Probleme der Frauen darzustellen“, sagt eine westliche Diplomatin. Sie erinnerte auch daran, daß Peking vor zwei Jahren nur knapp bei der Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Spiele für das Jahr 2.000 gescheitert ist. „Die einzige klare Lektion ist, daß China noch nicht bereit ist, eine wichtige internationale Konferenz durchzuführen.“

Die Organisatorinnen des NGO-Forums haben im April ein Team nach Peking geschickt, um die chinesischen Behörden umzustimmen, aber vergeblich. Und obwohl inzwischen auch einige Regierungen gegen die Verlegung des Forums protestieren, gar den Boykott der offiziellen Konferenz androhen, und UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali einen Vermittler nach Peking geschickt hat, sind die chinesischen Behörden offensichtlich nicht in Verhandlungslaune. Die Vorbereitungen in Huairou laufen in aller Hektik weiter.

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