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Dicke westliche Brille

■ Zum Frauentag: Eine Debatte über „Frauen in verschiedenen Kulturen“

„Sagen Sie mal, die polnische Frau, wie unterdrückt ist denn die? Und die griechische? Und die armen beschnittenen Mädchen, wie können deren Mütter sowas nur zulassen?..“ Die Frauen, die sich am Frauentag in Vegesack versammelt hatten, um ein „kritische Betrachtung der Frauenrolle in verschiedenen Kulturen“ anzustellen, schienen der Meinung zu sein, daß deutsche Frauen im Vergleich mit anderen Nationen natürlich die „Emanzipierteren“ sind.

Die Dozentin Jutta Riegert hieb in eine ähnliche Kerbe. „Monotheistische Religionen sind frauenfeindlich, Seßhaftwerdung und Einführung des Privateigentums haben die Stellung der Frau verschlechtert..“ Über diese Wiederholung bekannter Thesen hinaus zählte die Referentin spektakuläre Formen von Gewalt gegen Frauen (Witwenverbrennung, Füßeeinbinden, Beschneidung..) auf, ohne diese in einen sozialen und ökonomischen Kontext zu stellen. „Islamische Frauen sind besonders unterdrückt“, stellte Riegert mit Verweis auf die „strenge islamische Kleiderordnung“ fest: „Somalische Frauen gehören zu den am stärksten unterdrückten.“

Jutta Riegert mißt Emanzipation nach den westlichen Kriterien: Erwerbstätigkeit, Bildungsstand, offizielle politische Rechte. Internationale Zusammenhänge von Rassismus, Sexismus und Kapitalismus (Frauenhandel, Billigarbeit von Frauen ) spricht sie nicht an. Entsprechend kam auch wenig Widerspruch, als eine Zuhörerin riet, sich woanders „am besten überhaupt nicht einzumischen.“ Nur eine ältere Zuhörerin forderte, erstmal, „die deutschen Bumsflugzeuge nach Südostasien“ zu stoppen. Gisela Hinsberger

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