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DankeDianas Eierbecher

■ Über die Welt, in der „Steuerreform“ eine ebenso alberne Floskel ist wie „Tief Paula“

Ein Ton angestrengter Süffisanz macht sich oft breit, wenn im Feuilleton vom Wahlkampf die Rede ist. Man signalisiert damit zunächst einmal forsch heraus, daß man aus gesichterter Distanz zur Macht operiert, was sich für Journalisten ja durchaus ziemt. Die Attitüde verliert nur in den Fällen etwas von ihrer Kühnheit, wo alle wissen, daß der Autor früher oft und gern zum Schmusen an den Wolfgangsee gefahren ist und noch jede amtsherrliche Eingriffsfreude zu schlucken bereit war, wenn nur die Nähe zum Großen gewahrt blieb, die jetzt langsam in weite Ferne wegzurutschen droht.

Außerdem signalisiert man mit diesem Tonfall, daß es eh um nichts geht, was das eigene Leben betreffen könnte. Mit den Jahren des Steuerzahlens, Städtebenutzens (und Kinderkriegens) verliert sich die Mokanz, auch bei Journalisten. Aber bis dahin hat man den Eindruck, unsereiner bewohne ein Paralleluniversum, in dem „Steuerreform“ eine ebenso alberne Floskel ist wie „Tief Paula“ (Apropos Paula. Kein Wunder, daß Paula Jones vor ihrer Nasenoperation überall nur Penis gesehen hat, bei dem Kolben, was?) und Außenpolitik einem ebenso egal sein könnte wie das Haben oder Nichthaben eines Diana-Eierbechers.

Schließlich schwingt in dem Ton auch echte Empörung mit: Hier geht es ja gar nicht um Inhalte! Hier geht es ja bloß um Stimmenfang! Und alle eilen ja doch nur zur Affirmation des Bestehenden! Man merkt das, wenn SPD-Großveranstaltungen besprochen werden, bei denen es zu Konglomerationen von Geist und Macht kommen soll. Hier wird allenthalben Enttäuschung notiert, daß die beiden sich zwar treffen, aber nicht lieben. Wolfgang Thierse bekam viel Beifall, als er traurig konstatierte, nie seien Geist und Politik so weit voneinander entfernt gewesen wie heute. „Was wollen die Beifallspendenden?“ fragt Dahrendorf. „Philosophen-Könige?“ Warum sollte Schröder eine solche Gelegenheit verstreichen lassen, ohne Wahlkampf zu machen? Und warum sollte es dabei nicht zuvörderst darum gehen, gut auszusehen? Schließlich will er ja nicht nur 200 Modernisierungsverlierer für einen Nachmittag auf seine Seite ziehen, sondern Millionen Wähler gewinnen.

Auf einer Party letztens fiel mir auf, daß ich von den Leuten um mich herum kaum weiß, was sie wählen werden. Früher wußte man das. Heute ist es ein süßes Geheimnis, nach dem man nicht einfach so fragt, schon gar nicht einen Journalisten. „Du, haha!, was wählst du denn?“ Das geht nicht, es ist indiskret, eher schon könnte man fragen, ob einer Boxershorts trägt. Man muß im stillen die Partygäste so durchspielen: Trägt Feinripp von Schießer und wählt FDP; trägt Calvin Klein und wählt gar nicht, trägt Olaf Benz und wählt SPD. Mariam Lau

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