Dialog im italienischen Parlament: „Keine komischen Spielchen mehr“

Weg von Fundamentalopposition, hin zu einem Gesprächsangebot an Renzi: M5S vollzog am Sonntag eine überraschende wie radikale Kehrtwende.

Bisher nämlich hat Grillo (schreiend im Hintergrund) für Renzi nur Beschimpfungen übriggehabt. Nun will er reden. Bild: Imago/Insidefoto

ROM taz | Bewegungschef Beppe Grillo selbst zeichnete, gemeinsam mit dem Web-Guru der Fünf Sterne, Gianroberto Casaleggio, einen Blog-Eintrag, in dem er Renzi Verhandlungen über die Wahlrechtsreform antrug, die zurzeit im italienischen Parlament verhandelt wird. Er vollzieht damit einen radikalen Wechsel im Ton ebenso wie in der Sache.

Bisher nämlich hatte er für Renzi nur Beschimpfungen übrig gehabt, die vor allem von der Behauptung lebten, der Ministerpräsident sei im Februar 2014 bloß durch einen parteiinternen Putsch an die Macht gekommen, er sei mithin – ebenso wie die gesamte politische Klasse – völlig delegitimiert.

Auflösung des Parlaments und sofortige Neuwahlen: Dies war seit jenem Urnengang vom Februar 2013, der zwar Renzis Partito Democratico (PD) eine relative Mehrheit, dem Parlament aber ein Patt beschert hatte, die wie ein Mantra wiederholte Forderung von M5S.

Schließlich fühlten die „Fünf Sterne“ sich stark: Aus dem Stand hatten sie über 25 Prozent geholt, weiteren Erfolgen gegen die abgewirtschafteten Parteien von rechts wie links schien nichts im Weg zu stehen. Nur zweimal in den letzten 15 Monaten kam es überhaupt zu „Gesprächen“ zwischen PD- und M5S-Vertretern.

Öffentlich verhöhnt

Im Februar 2013 traf der damalige PD-Chef Pierluigi Bersani die M5S-Fraktionsvorsitzenden von Kammer und Senat. Auf deren Verlangen wurde die Begegnung im Live-Stream übertragen – eine Begegnung, in der die M5S-Vertreter Bersani öffentlich verhöhnten. Nicht viel anders verlief im Februar 2014 das ebenfalls live übertragene Treffen zwischen Renzi und Grillo selbst: Grillo brüllte zehn Minuten lang, er wolle von Renzi „nichts hören“, und verließ dann den Saal.

Doch Renzi, der sich erst im Dezember 2013 als Chef der PD, dann im Februar 2014 als Regierungschef durchgesetzt hatte, erreichte bei Italiens Wählern als radikaler Neuerer sofort hohe Popularität – und gewann im Mai die Europawahlen mit 40,8 Prozent triumphal, während M5S sich mit eher mageren 21,1 Prozent bescheiden musste.

Grillo reagierte zunächst wie gewohnt – als schlechter Verlierer. Sein Blog raunte von „Wahlbetrug“, ohne auch nur einen einzigen Anhaltspunkt für den groben Vorwurf zu liefern. Vorerst schien es, als wolle M5S ihre Einigelungsstrategie fortsetzen.

Am Sonntag aber war plötzlich ein völlig neuer Ton zu vernehmen: „Renzi ist durch ein Votum des Volks legitimiert“, konstatiert Grillo nun trocken. Und Luigi Di Maio, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses und ein prominenter M5S-Parlamentarier, setzte nach: „Wir denken, dass wir zum Wahlgesetz zusammen mit Renzi, der durch ein sehr starkes Votum bei den Europawahlen legitimiert ist, gute Arbeit leisten können. Wir wollen zeigen, dass auch wir die Botschaft der Bürger aufnehmen.“

Langweilig wirds nie

Bisher war der Hauptansprechpartner der PD bei den Verhandlungen über das neue Wahlgesetz ausgerechnet Berlusconis Forza Italia – auch weil die Fünf-Sterne-Bewegung sich konsequent verweigert hatte. Diese Situation könnte nun in Bewegung geraten. Renzi kommentierte umgehend, mit Grillo werde es „nie langweilig“ – und erklärte sich zum Dialog bereit.

Ironie der Geschichte: Diesmal verlangte er, dass die Gespräche im Live-Stream übertragen werden, ganz so, als wäre er Beppe Grillo: „Keine Geheimabsprachen, keine komischen Spielchen.“

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