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Dialog im Container

Arriviertes mit Nachwachsendem konfrontieren: Im „Schuppen 23“ im Freihafen wird ab Herbst eine Kunst-Mixtur präsentiert

von HAJO SCHIFF

Einst jagten sich in der Kunst die Wellen der Avantgarden. Noch heute ist die Kunst oft Vorreiter, aber nicht mehr kunstintern, sondern beim Erschließen bisher wenig beachteter Stadtteile für ein schickes neues Leben. Was in der Fachsprache der Stadtplaner Gentrification heißt, bedeutet etwa dieses: Erst werden stillgelegte Fabrikationsräume mit Kunst besetzt, später mit Einkaufspassagen und Büros.

Das lief in Ottensen und in Barmbek so, das ist jetzt in großem Stil am und im Freihafen zu beobachten. Während schon traditionell gewordene Ausstellungsorte wie die Deichtorhallen rapide an Interesse verlieren und immense ökonomische Schwierigkeiten haben, werden den sonst nicht damit konfrontierten Menschen exotisch anmutende Speicher und baufällige Lagerschuppen zu Spielorten verschiedener Events und eben auch der Kunst.

Doch so sehr dieses Kulturphänomen stets nur kurzfristig angelegter Umnutzungen zu beklagen ist, so sehr eröffnet es auch Möglichkeiten für improvisierte Präsentationsformen und eine aktuelle Kunstproduktion, der es nicht verwehrt wird, einen Nagel in die weiße, denkmalgeschützte Wand zu schlagen oder gar schlimmere Interventionen vorzunehmen.

In Kaispeicher A zwischen Sandtorhafen und Grasbrookhafen wird am 16. August eine große Ausstellung mit zahlreichen Räumen meist Hamburger Künstler eröffnet werden. Eine noch viel aufwendigere Ausstellung ist schon für das nächste Jahr in Planung. Unter dem Titel Schuppen 23 – Internationale Kunst in der Hafencity soll von Mai bis September 2003 in diesem oder einem anderen ähnlich ebenerdigen alten Lagerschuppen ein mobiles Museum eingerichtet werden. Das ist ganz wörtlich zu verstehen: Da weder die Klimabedingungen noch die Sicherheit in den nicht mehr ganz regendichten Gebäuden zu gewährleisten sind, wird die Kunst in etwa zwanzig Standard-Überseecontainern installiert werden.

Ob der 2,50 mal 6 Meter große Raum dabei als musealer „White Cube“ eingerichtet oder für Experimente umgestaltet wird, bleibt dabei den Künstlern überlassen. Denn obwohl hinter dem Projekt die Kunstsammler Björn Lafrenz und Rik Reinking stehen, geht es nicht um das bloße Vorzeigen von schon erworbenen Werken an einem anderen Ort: Die international ausgewählten Künstler sollen für das Projekt möglichst neue Arbeiten realisieren. In der in einer Riesenhalle arrangierten Containerstadt werden sich dann Positionen arrivierter Künstler mit denen ihrer jüngeren Kollegen treffen. Der amerikanische Wortkünstler Lawrence Weiner, der britische Land-Artist Richard Long, der französische Streifenspezialist Daniel Buren oder der deutsche Steinespalter Ulrich Rückriem treffen dann auf den konzeptuellen Holzbildhauer Volker Lang. Mit dabei sind auch der – seine täglich dokumentierte Biographie verkaufende – Hamburger Till F. E. Haupt und der Klangkünstler Satoshi Hata aus Japan; die vorläufige Künstlerliste umfasst 28 Namen.

Auf Dialoge schon gesetzterer Kunstpositionen mit jungen Ansätzen legen die beiden jungen Kunstsammler und Projektinitiatoren besonderes Gewicht. Der 30-jährige Björn Lafrenz aktualisiert die arte povera, Minimal-, Land-, und Concept art umfassende, seit den sechziger Jahren zusammengetragene Sammlung seines Vaters mit dem jüngeren Bestand des 1976 geborenen Rik Reinking. Im Neuen Museum Weserburg in Bremen zeigen sie in der Dauerausstellung Teile beider Sammlungen im gemischten Doppel unter dem Motto Anstiftung zu einer neuen Wahrnehmung.

Jetzt soll das nicht nur über die Werke in Bremen funktionieren, sondern auf die Künstler selbst produktiv zurückwirken und dann das Hamburger Publikum begeistern. Ob das alles funktionieren wird? Noch fehlt das Geld, aber der Bürgermeister hat schon mal seine Schirmherrschaft zugesagt.

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