Deutschlands erster Nachtbürgermeister: Auf Vermittlungsmission in Mannheim
New York hat es vorgemacht, Mannheim zieht nach. Der 27-jährige Student Hendrik Meier vermittelt zwischen Partygästen und Anwohnern.
Mannheim war schneller als Berlin. Das ist jetzt offiziell. Mannheim hat es geschafft, eine sinnvolle Idee auch wirklich umzusetzen. Einen Nachtbürgermeister, der zwischen allen Akteuren des Nachtlebens und den Anwohnern vermitteln soll. Aus 40 Bewerbern und in einem mehrstufigen Votingverfahren konnte sich der 27-jährige Student Hendrik Meier durchsetzen. Mit einer Goldkette, an der eine schwarze Schallplatte baumelt, wurde er in einem Mannheimer Club, so dunkel wie die Nacht, am Donnerstag zum allerersten Nachtbürgermeister Deutschlands gekürt.
Was in Metropolen wie Amsterdam, New York oder Paris schon eingeführt wurde, verstaubt in Berlin als Teil des Aktionsplans der Grünen von 2015: Neben mehr Mülleimern, öffentlichen Toiletten, Fahrradabstellplätzen und einer häufigeren Straßenreinigung sollte ein ehrenamtlicher Nachtbürgermeister gewählt werden. „Die Kombination aus Wohnen, Arbeiten und Feiern funktioniert hier nicht mehr“, hieß es damals. Stattdessen tanzten eine Zeit lang auf dem RAW-Gelände Pantomimen Partytouristen richtiges Verhalten vor. Ein Pilotprojekt, das von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Denn Probleme sollten bekanntlich an der Wurzel gepackt werden – und nicht unmittelbar im wilden Partytreiben.
In Mannheim soll nun Hendrik Meier 50 Stunden im Monat aufwenden, um neben der Vermittlerfunktion seinen eigenen Visionen von einer funktionierenden Nachtökonomie nachzugehen. Außerdem ist ein Stammtisch geplant, an dem alle Akteure des Nachtlebens und Vertreter von Anwohnern zusammensitzen können.
Bezahlt wird Meier, der nebenher noch als freier Veranstalter und Booker arbeitet, mit einem monatlichen Honorar von 1.190 Euro, aus Mitteln des stadteigenen Gründungszentrums Start-up Mannheim. Das ist im Vergleich zu New York, wo die dortige Nachtbürgermeisterin ein jährliches Grundgehalt von 130.000 Dollar bekommt, wenig. Aber im Vergleich zu Berlin, wo dieser Posten als rein ehrenamtlich angedacht war, viel.
Vielleicht hat es Mannheim aber auch leichter. In einer Stadt, wo das Nachtleben noch nicht so aus dem Ruder gelaufen ist, lässt es sich auch besser einhegen. Ganz große Schlaumeier werden außerdem kritisch anmerken, dass Berlin schon viele Jahre einen Nachtbürgermeister hatte, er nannte sich nur nicht so. Ja, Klaus Wowereit ist gemeint. Der wäre übrigens auch eine ideale Besetzung, wenn Berlin doch mal einen echten Nachtbürgermeister sucht. Wenn Wowereit sich nicht so sicher sein sollte, wie genau er vorgeht, kann er bestimmt mal in Mannheim anrufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste