Deutschland gewinnt gegen Nigeria: „Ohne Glanz und Gloria“
Die deutschen Fußballfrauen haben den Einzug ins Viertelfinale geschafft. Aber eine Glanzleistung war das Spiel gegen Nigeria so gar nicht.
FRANKFURT taz | Wütende Pfiffe zur Halbzeitpause eines deutschen Spiels bei dieser Frauen-WM? Eigentlich unvorstellbar! Aber in der selbst ernannten Frauenfußball-Hauptstadt Frankfurt ging es nicht zimperlich zu. Weder auf dem Rasen noch auf den Rängen.
Die Unmutsäußerungen der Zuschauer galten den des Öfteren überhart einsteigenden Nigerianerinnen und der völlig überforderten südkoreanischen Schiedsrichterin Cha Sung Mi. Aber bei vielen war gewiss auch sehr viel Unmut darüber dabei, dass die clever verteidigenden Gegnerinnen die Deutschen einfach nicht ins Spiel kommen lassen wollten.
Der Unmut der zornigen Bundestrainerin Silvia Neid richtete sich indes auf ihr eigenes Team. Sie schimpfte an der Seitenlinie unentwegt. Aber sie konnte ihren zu statisch und zu unpräzise angreifenden Spielerinnen keine Beine machen. Lange wollte sich die Verkrampfung so gar nicht lösen. Erst Simone Laudehr gelang in der 54. Minute der erlösende entscheidende Treffer zum 1:0, mit dem sich die Deutschen bereits vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Frankreich für das Viertelfinale qualifiziert haben.
Deutschland - Nigeria 1:0 (0:0)
Deutschland: Angerer, Bresonik, Bartusiak, Krahn, Peter, Laudehr, Kulig, Garefrekes, Okoyino da Mbabi (87. Bajramaj), Behringer (31. Popp), Prinz (53. Grings)
Nigeria: Dede, Ikidi, Ohale, Ebi, Ukaonu, Mbachu (85. Ordega), Nkwocha, Chikwelu, Orji (63. Aighew), Oparanozie, Michael (70. Sunday)
Schiedsrichterin: Cha (Südkorea)
Zuschauer: 48 817 (ausverkauft)
Tor: 1:0 Laudehr (54.)
Gelbe Karten: Kulig / Ohale
Beste Spielerinnen: Laudehr, Krahn / Nkwocha, Ohale
„Ohne Glanz und Gloria“ sei das geschehen, wie Neid resümierte. Das deutsche Team wirkt angeschlagen. Zum einen ganz konkret physisch. Denn die Partie gegen Nigeria dürfte das Klischee, Frauenfußball fehle die Wettkampfhärte, endgültig widerlegt haben. Die Bundestrainerin sagte: „Ich glaube, ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich habe noch keine unserer Spielerinnen gesehen, die keinen Verband hat.“
Strukturelle Probleme
Und ratlos bemerkte sie: „Ich weiß nicht, warum die Schiedsrichterin das nicht unterbunden hat. Wenn uns dann mal eine Kombination gelungen war, was selten genug vorkam, wurden wir sofort durch ein Foul gestoppt.“ Ihre nigerianische Kollegin Ngozi Uche fand das alles halb so schlimm. „Natürlich war das Spiel hart, aber uns war klar, dass wir ausscheiden, wenn wir verlieren.“
Neben der körperlichen Blessuren scheint das Team aber nach dem Eindruck von Silvia Neid auch an mentalen Problemen zu leiden. Die Bundestrainerin kündigte an in den nächsten Tagen viele Einzelgespräche zu führen. Man dürfe den Ball doch auch vor 50.000 Zuschauern mitnehmen und präzise weiterspielen. Das sei eine Sache des Kopfes.
Konnte man das maue erste Spiel der Deutschen gegen Kanada noch der Anfangsnervosität zu Turnierbeginn zuschreiben, zeigte sich beim zweiten Auftritt aber auch, dass es strukturelle Probleme gibt. Wieder überzeugte die Abwehr bei der Spieleröffnung nicht, wenn sie unter Druck gesetzt wurde. Hinzu kam dieses Mal aber ein weiteres Problem: die ansonsten so rührigen Offensivspielerinnen brachten so gut wie nichts zuwege. Von Laudehrs Treffer einmal abgesehen, kamen nur drei, vier Bälle pro Halbzeit auf das Tor von Precious Dede. Und bei keinem musste sich diese sonderlich verausgaben.
Als Melanie Behringer nach einer guten halben Stunde verletzt ausschied und wegen des Verdachts eines Außbandanrisses im rechten Sprunggelenk direkt ins Krankenhaus gefahren werden musste, deutete sich schon an, dass diese Partie unter keinem guten Stern für die Deutschen stand.
Letztlich ging es wie gegen Kanada gerade noch einmal gut. Und die Zuschauer in der deutschen Hauptstadt des Frauenfußballs konnten nach dem Schlusspiff befreit jubeln.
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