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Deutschland entdeckt die Amerikaner

Die Deutsche Botschaft in Washington umarmt die US-Zivilgesellschaft – mit der Regierung kracht es ja wegen Irak. Der Vorteil: Im Vergleich zur US-Politik sieht vieles, was aus Deutschland kommt, täuschend fortschrittlich aus

WASHINGTON taz ■ Die deutsche Diplomatie entdeckt die US-Zivilgesellschaft. Erstmals lud sie vor einigen Tagen US-Nichtregierungsorganisationen zum Dialog über Umweltschutz, Menschenrechte, Globalisierung und Entwicklungshilfe. Rund 25 Aktivisten kamen in die Botschafterresidenz in Washington – Vertreter eines breiten Spektrums national und international operierender Organisationen.

Die Bedürfnisse beider Seiten schienen sich zu ergänzen: Die deutschen Repräsentanten suchen für ihre Interessen neue Verbündete, da sich der konservative US-Regierungsapparat nicht aufgeschlossen genug zeigt. Dieser Wunsch fällt offenbar auf fruchtbaren Boden in der US-amerikanischen NGO-Szene. Auch sie wollen Bündnispartner, erleben sie doch, dass der Krieg gegen den Terror Themen wie Umweltschutz und Entwicklung verdrängt hat und manche Protestgruppen vom Justizministerium sogar als Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft wurden.

In vielen Politikbereichen herrscht zwischen dem offiziellen Washington und Berlin Dissens, sei es im Klimaschutz, bei der Todesstrafe, dem Internationalen Strafgerichtshof oder dem Verbot von Landminen. Botschafter Wolfgang Ischinger will daher neue Allianzen aufbauen, um in der US-Bevölkerung für europäische und deutsche Anliegen zu werben. Vielleicht könne man sich auf diesem Umweg auch mehr Gehör in der Regierung verschaffen.

Darüber hinaus, sagt er, dürfe sich moderne Diplomatie nicht nur mit dem politischen Establishment befassen, sondern müsse ihre Fühler auch in die Gesellschaft ausstrecken. „Wir wollen unsere Reichweite vergrößern“, sagt Pressesprecher Hans-Peter Lucas. Bestimmte Themen seien bei NGOs oft besser aufgehoben als in Ministerien. Mit dem ersten Treffen diese Woche habe man versucht, „die Tür für einen kontinuierlichen Dialog aufzustoßen“.

„Eine prima Idee“, sagt Paul Joffe vom Internationalen Programm der „National Wildlife Federation“, die sich weltweit im Bereich Klimaschutz und Energiepolitik engagiert. Der deutsche Kontakt sei immens wichtig. Ausdrücklich lobt Joffe das deutsche Engagement auf dem UN-Gipfel in Johannesburg und betont die gemeinsamen Interessen, wenn es darum geht, die Entwicklung und Verbreitung erneuerbarer Energien voranzutreiben. „Deutschland ist führend in Umweltfragen, für uns daher ein Schlüsselpartner.“

Viele NGOs in den USA sind der Ansicht, dass sich die Bush-Regierung nicht nur von Europa entfernt, sondern auch von der eigenen Bevölkerung. Die öffentliche Meinung in den USA favorisiere jedoch die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Armut oder beim Umweltschutz, glaubt Stephen Hellinger von „Development Gap“. Er wünsche sich eine verstärkte Kooperation mit den Europäern, um ein Gegengewicht zur US-Politik zu schaffen.

Doch nicht alle Aktivisten hatten wohlwollende Worte für den Gastgeber. „Bush bietet ein so klares Feindbild, dass deutsche Positionen automatisch in hellem Licht erscheinen, was nicht gerechtfertigt ist“, sagt Bruce Rich von „Environmental Defense“ und verwies auf Hermes-Exportbürgschaften der Bundesregierung für umstrittene industrielle Großprojekte deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern. MICHAEL STRECK

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