Deutschland bezwingt Argentinien: "Ein unheimlicher Teamspirit"

Die deutsche Mannschaft erreicht mit einem souveränen 4:0 über Argentinien das WM-Halbfinale. Geht noch mehr? "Wir sind stark genug", sagt Bastian Schweinsteiger.

Ganz unten: Arne Friedrich nach seinem Tor zum 3:0. Bild: dpa

BERLIN taz | Die deutsche Mannschaft hat mit einem 4:0 über Argentinien das Halbfinale der Fußball-WM in Südafrika erreicht. Müller (3.), Klose (68.), Friedrich (74.) und nochmal Klose (89.) erzielten am Samstagabend in Kapstadt die Tore. Es war ein überzeugendes Spiel der Deutschen, die ihre Strategie gegen den Mitfavoriten Argentinien überraschend souverän durchsetzen konnten.

Wenn der Abend ein Problem gebracht hat, dann besteht es in der gelben Karte von Thomas Müller, wodurch der deutsche Rechtsaußen für das Halbfinale am Mittwoch gegen den Sieger der Partie Spanien - Paraquay gesperrt ist. "Ich hoffe, dass meine Kollegen im Halbfinale des Richtige machen, dann kann ich vielleicht im Finale nochmal treffen", sagte Müller.

Sicher wird es Stimmen geben, die Bastian Schweinsteiger als Spieler des Abends und vielleicht des Turniers sehen werden. Es war beeindruckend, wie der Bayern-Profi das Mittelfeld kontrollierte und das 3:0 von Friedrich durch ein Solo über links vorbereitete, wie es ein Messi kaum schöner hätte vorführen können. Andere Experten werden die historische Dimension der beiden Treffer des deutschen Keilstürmers Miroslav Klose herausheben. Klose, 32, erzielte in seinem 100. Länderspiel seine Länderspieltore 51 und 52. Er hat nun 14 Tore bei Weltmeisterschaften erzielt, soviele wie Gerd Müller. Nur der Brasilianer Ronaldo (15) liegt nun noch vor ihm.

Argentinien - Deutschland 0:4 (0:1)

Argentinien: Romero - Otamendi (70. Pastore), Demichelis, Burdisso, Heinze - Maxi Rodríguez, Mascherano, Di María (75. Agüero) - Messi - Higuaín, Tévez

Deutschland: Neuer - Lahm, Mertesacker, Friedrich, Boateng (72. Jansen) - Khedira (77. Kroos), Schweinsteiger - Müller (84. Trochowski), Özil, Podolski - Klose

Schiedsrichter: Irmatow (Usbekistan)

Zuschauer: 64.100

Tore: 0:1 Müller (3.), 0:2 Klose (68.), 0:3 Friedrich (74.), 0:4 Klose (89.)

Gelbe Karten: Mascherano, Otamendi / Müller

Star des Spiels könnte auch Thomas Müller gewesen sein, der das erste Tor erzielte, das zweite Tor von Klose im Liegen vorbereitete, indem er Podolski links freispielte, und das dritte Tor initiierte, indem er Schweinsteiger auf die Reise schickte. Müller, 20, vom FC Bayern München, hat eine Qualität, die sonst niemand in diesem Turnier gezeigt hat und die der deutschen Mannschaft vorher gefehlt hat. Wie das dann ist in so einem Spiel, erzielte auch noch der Wolfsburger Weltklasse-Innenverteidiger Arne Friedrich ein Tor. Sein erstes Länderspieltor.

Wenn Müller der internationale Aufsteiger des Jahres ist, so war Friedrich der Absteiger - nun steht er auf einem Höhepunkt seiner Karriere, wie es ihm - bei allem Respekt - wohl kaum einer zugetraut hat. Das gilt in noch größerem Maße für Joachim Löw, der 2004 eher zufällig Assistent von Jürgen Klinsmann wurde - und nun als Bundestrainer in die Geschichte eingehen wird, dessen Team ein Turnier gespielt hat, wie selten eine deutsche Mannschaft zuvor. Erfolgreich - und mitreißend.

Wie immer er es gemacht hat: Es ist frappant, wie souverän Löws flachhierarchischer Fußball sich auf hohem Niveau durchsetzte. Insofern sollte man sich Müller anschließen, der auf die Frage nach dem Star des Spiels sagte: "Star des Spiels war mal wieder eindeutig die Mannschaft". Tatsächlich: In Joachim Löws Mix potenzieren sich die Qualitäten der Spieler. Das kompensiert auch, wenn einer wie Mesut Özil mal überhaupt nicht ins Spiel kommt. "Ein unheimlicher Teamspirit" sei das, sagte Arne Friedrich. Für einmal scheint das nicht übertrieben zu sein.

Höchstes Niveau war das Spiel wohl nicht, dafür waren die Argentinier nicht stark genug. Als es galt und nach dem Rückstand, hatten sie und ihr Trainer Diego Maradona keine taktische Antwort mehr anzubieten. Maradonas Star Lionel Messi war spät ins Spiel eingetreten, fand kaum Räume in der Zone hinter den Spitzen, wo die Deutschen sich sichtbar mühten, so eng und kompakt zu stehen, dass nie einer allein gegen Messi stand und argentinische Kombinationen erst gar nicht entstehen konnten.

Messi ließ sich zeitweise zurückfallen und versuchte sogar, Bälle in der eigenen Hälfte aufzunehmen. Was meistens kein gutes Zeichen ist. Im Lauf der zweiten Halbzeit verschwand er dann komplett aus dem Spiel. Messi sei "kaum ins Spiel gekommen", sagte Löw mit seinem sich mehr und mehr ausbreitenden WM-Strahlegesicht. Messi wurde gedoppelt, gedrittelt, gebremst: Manchmal läuft es im Fußball tatsächlich, wie man es geplant hat.

Die Argentinier hatten ein paar Schüsse auf Neuers Tor, aber keine ganz großen Chancen. Die Befürchtungen haben sich bestätigt: Es ist Maradona nicht gelungen, ein Kollektiv zu formen, in dem die Balance zwischen Defensive und Offensive stimmt und in dem sich Messis überragender Individualismus ausdrücken kann. Der individuell beste Fußballer der Welt fährt ohne ein Tor erzielt zu haben zurück nach Barcelona.

Nach anfänglichem Holpern sieht es nun doch so aus, dass sich ein spielstarker, flachhierarchischer Kombinationsfußball durchsetzen wird. Ob es der spanische sein wird, der niederländische oder der deutsche, das wird eine aufregende Woche klären. Klar ist jetzt schon: Dies ist nicht die WM der Stars. Es ist die WM der Kollektivs. Da haben seit vier Jahren die Spanier das Niveau definiert. "Die Spanier sind für mich die beste Mannschaft der Welt", sagte Schweinsteiger, "aber". Aber? "Wir sind stark genug." Noch hat man in Südafrika keinen besseren Teamfußball gesehen als den der deutschen Mannschaft.

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