Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Waren die ermordeten polnischen Juden keine Polen?
Herr Steinmeier hat (ausnahmsweise mal) alles richtig gemacht, indem er entsprechend des Anlasses keine Opfergruppe besonders hervorgehoben hat.
Ich verstehe die Aufregung nicht: Sind polnische Juden keine Polen?
Wenn Steinmeier sagt, ZITATANFANG "Ich verneige mich vor den polnischen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft." ZITATENDE dann gehören da alle Polen mit hinein.
@Gesunder Menschenverstand So ist es, er sprach in Polen, in Sachen polnischer Opfer der deutschen kriegs- und Gewaltherrschaft und damit genug.
Denn ein einziges Privileg haben Land und Volk der Täter, sie haben sich zu recht für die Geschundenen und Getöteten zu entschuldigen, aber sie dürfen und müssen sich über deren Gewichtung keine Gedanken machen, denn sonst würden sie ja wieder genau das anfangen zu tun, wofür sie sich gerade entschuldigen.
Sollte eine Kategorisierung tatsächlich wichtig, oder gar erwünscht sein, so obliegt diese ausschließlich den noch lebenden Opfern und den Hinterbliebenen. Aber wie gesagt, wenn man anfängt Opfer nach Zu- und Angehörigkeit zu gewichten, dann darf man über die Täter nicht mehr groß herziehen, dann kann man ihnen gleich die Hand geben.
"...vor den Opfern der Deutschen Gewaltherrschaft". Die Juden gehören nicht dazu? Eine Katalogisierung der Opfer ist abscheulich, als ob es eine Werteskala gäbe, von Juden zu Sinti oder Roma.
Das mit den Juden in Polen ist eine besonder Sache. Viele Polen behaupten, das Juden keine Polen sein können sondern maximal Menschen mit polnischer Staatsbürgerschaft sind. Die Geschichte zwischen Polen und Juden ist lang und sehr sehr unterschiedlich. Die liberale Zeit von Kasimier dem Großen liegt schon lange zurück und momentan gibt es eher eine ziemlich starken Antisemitismus hier, geschürt auch von der Regierung. Und nur, wenn es um die Toten im 2. WK geht, machen Politiker von PiS aus Juden wieder Polen, denn nur so lässt sich die Zahlen vergrößern. - Ich lebe seit 20 Jahren in Südpolen und sehe und höre und lese was hier so abgeht.
@Frank Burghart Die Frage ist was ist richtig?
sind die Juden ein eigenes Volk, wie sie sich selbst nennen? Oder sind es Palästinenser jüdischen Glaubens - was Gene und Geschichte darlegen.
Und - was man heute auch schön an genetischen Analysen sehen kann - haben sich die europäischen Juden fast nicht mit den Europäern vermischt. unsere genetischen Einflüsse sind bei den Überlebenden der Vernichtung heute qusi nicht existent. Ja hier wurden die Juden oft nicht als gleichwertige Bürger gesehen - auch weil ein großer Teil von denen es nicht wollte.
Und welcher Maßstab gilt dann? unser moderner Liberaler: jeder mit einem Pass der BRD ist "Deutscher", oder das alte traditionelle Abstammungsrecht? zumindest nach letzterem waren es wohl nie Deutsche, Polen oder die Angehörigen einer anderen Bevölkerungsgruppe in der sie lebten.
Leider können die Menschen die vernichtet wurden - organisiert und initiiert von den Deutschen - nicht mehr für sich sprechen, und so wird heute jeder der Varianten verbreitet - je nach dem was der Verbreiter für politische Ziele hat.
Auch Steinmeier differenziert ja nicht, sondern wählt ein Bild der Wirklichkeit von dem er denkt das es seiner Sache nützt.
CDU-Chef Friedrich Merz behauptet, Geflüchtete würden das deutsche Gesundheitssystem ausnutzen. SPD und Grüne widersprechen deutlich.
Deutscher Überfall auf Polen: Versöhnung mit Lücken
Dass Steinmeier der polnischen Opfer gedachte, ist richtig und gut. Nicht hinnehmbar ist, dass er die Ermordung der polnischen Juden nicht erwähnte.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im polnischen Wielún Foto: ap
Die beiden Versöhnungsreden von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Polen machen fassungslos. Sowohl in der Kleinstadt Wielun, die am 1. September 1939 von der Luftwaffe zerbombt wurde, als auch in Warschau, dessen Innenstadt die Nazi-Schergen 1944 dem Erdboden gleichmachten, erinnerte Steinmeier zwar an die Verbrechen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Doch in Wieluń entschuldigte er sich nur bei den Polen: „Ich verneige mich vor den Opfern des Überfalls auf Wieluń. Ich verneige mich vor den polnischen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft. Und ich bitte um Vergebung.“ Auch in Warschau erwähnte er mit keinem Wort die Juden. Wie kann das sein?
Die Deutschen ermordeten im Zweiten Weltkrieg 90 Prozent aller polnischen Juden, also rund drei Millionen Menschen, außerdem rund 1,4 bis 1,6 Millionen ethnische Polen (rund fünf bis sieben Prozent aller Polen.) 1947 setzte das Politbüro im Zentralkomitee der Polnischen Arbeiterpartei die Opferzahl willkürlich auf insgesamt 6 Millionen oder 22 Prozent der Vorkriegsbevölkerung hoch.
Die ethnischen Polen sollten sich als Opfer gegenüber den polnischen Juden nicht zurückgesetzt fühlen. Es war zugleich ein Versuch, den nach wie vor virulenten Antisemitismus im Land einzudämmen.
Nach der politischen Wende 1989 wurde diese Zahlenmanipulation aufgedeckt. So mussten sechs Jahre später, im Jahr 1995, alle Gedenktafeln in NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ausgetauscht werden. Während die meisten Polen überzeugt waren, dass Auschwitz der zentrale Ort der polnischen Martyriums war, galt er weltweit längst als Symbol des Holocaust.
Dass Steinmeier in Wieluń und Warschau der polnischen Opfer gedachte, ist richtig und gut. Dass er weder zum ehemaligen Ghetto in Wieluń ging, von dem aus 10.000 Juden ins Vernichtungslager Kulmhof am Ner gebracht und vergast wurden, noch in Warschau die polnischen Juden um Vergebung bat, ist hingegen völlig unverständlich.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Kommentar von
Gabriele Lesser
Auslandskorrespondentin Polen
Themen